Verbannung ins Glück

Vorgestellt von Hans-Ulrich Pönack |
Mit 22 Millionen Besuchern ist "Willkommen bei den Sch'tis" der erfolgreichste Kinofilm Frankreichs aller Zeiten. Die Geschichte um den Postbeamten Phillipe, der in den Norden strafversetzt wird und dort wahre Freunde findet, rührte Jung und Alt. "Mirrors" hingegen ist allzubekannte Mainstream-Schockerware, eine x-beliebige Hokuspokus-Geisterbahnfahrt mit Lärmeffekten.
"Willkommen bei den Sch'tis"
Frankreich 2008. Regie: Dany Boon. Darsteller: Kad Merad, Dany Boon, Zoé Félix, Anne Marivin, Philippe Duquesne, Guy Lecluyse, Patrick Bosso, Zinedine Soualem. FSK: ohne Altersbeschränkung. Länge: 106 Minuten

"Willkommen bei den Sch'tis" von und mit Danny Boon, einem hierzulande bislang unbekannten französischen Comedian, Schauspieler und Regisseur, der als Daniel Hamidou 1966 in Armentières in der Region Nord-Pas-de-Calais geboren wurde. Der Sohn einer französischen Hausfrau und eines aus Algerien stammenden Fernfahrers und Boxers begeisterte sich zunächst fürs Malen und Zeichnen und absolvierte ein Studium an einer Kunsthochschule in Belgien. 1985 ging er nach Paris, spielte Sketche auf der Straße, arbeitete als Grafiker bei einer Trickfilmfirma, besuchte parallel die Schauspielschule, mimte gerne den "sympathischen Proleten aus dem Norden", der schließlich zu seinem Markenzeichen wurde, mit Anspielungen auf seine Herkunft und die Verwendung seines heimatlichen Dialekts, des Sch'ti: Einem typisch-regionalen Dialekt aus dem Norden Frankreichs, der aus vielen S-Lauten "Sch"-Laute produziert: Sonne = Schonne; süß = schüß; besuchen = beschuchen.

1992 tritt Daniel, der sich fortan Danny Boon nennt, erstmals als Comedian im Fernsehen auf. Zugleich füllte er mit seinen One-Man-Shows immer größere Säle. Erste Filmangebote trudeln ein, zugleich schreibt und inszeniert er das Theaterstück "La Vie de Chautier". 2003 heiratet er und konvertiert zum Judentum. Mit 600.000 verkauften Exemplaren der DVD seines komplett im "Sch'ti"-Dialekt gesprochenen Showprogramms "Danny Boon à s `baraque et em ch`ti", das französisch untertitelt wurde, bricht er alle Rekorde.

Seit 2005 steht er vor der Spielfilm-Kamera, tritt in den auch bei uns gezeigten Kinofilmen "Merry Christmas" von Christian Carion und "Mein bester Freund" von Patrice Leconte (an der Seite von Daniel Auteuil) auf, wird für den "César" als jeweils "Bester Nebendarsteller" nominiert. 2006 adaptierte er sein eigenes Bühnenstück für seinen ersten eigenen Kinofilm, für die Komödie "La Maison du bonheur".

Sein zweiter Kinofilm wird im Vorjahr - mit über 22 Millionen Besuchern - zur Kino-Sensation in Frankreich: "Bienvenue chez les Ch´tis" avanciert zum erfolgreichsten französischen Kinofilm aller Zeiten (vorher: "Die große Sause" von Gerard Oury/1966, mit Louis de Funes,17,27 Millionen Besucher und international: "Titanic", 1998, 20,7 Millionen Besucher).

Es menschelt hier angenehm wie ausdauernd fröhlich: "Willkommen bei den Sch'tis" ist eine sympathische Komödie, in der es natürlich um diesen "komischen" Süd-Nord-Konflikt - oder umgekehrt - in Frankreich geht. Vergleichbar etwa mit dem lästerlichen Schimpfkanonaden hierzulande zwischen Preußen und Bayern oder zwischen Ostfriesen und dem Rest der Republik. Motto: Was verbindet Frank Ribéry, Charles de Gaulle und Phillipe Noiret? Genau, sie stammen alle aus der Region Nord-Pas-de-Calais, einem kleinen Landstrich im Norden Frankreichs, der an Belgien und den Ärmelkanal grenzt.

Nicht nur im Ausland wurde diese Region kaum wahrgenommen, auch die Franzosen selbst zeigten kein großes Interesse an ihr (was sich übrigens inzwischen, durch den Erfolg des Films, gründlich geändert hat).

Dorthin jedenfalls wird der Postbeamte Philippe Abrams (Kad Merad /"Keine Sorge, mir geht's gut") strafversetzt. Von der "gemütlichen" Provence in den "schäbig-barbarischen" Norden. Seine sowieso schon depressive Frau Julie, die gerne in Sonnen-Richtung St. Tropez umgezogen wäre, ist geplättet. Und bleibt daheim. Er also ganz allein in das "Sibirien Frankreichs"; Mitgefühl, Mitleid, aufmunterndes Schulterklopfen allerorten (sogar von der Autobahnpolizei, als die davon hört).

Doch anstatt auf Düsternis, Kälte und hässliche Bekloppte stößt Philippe auf ganz urige, selbstironische Typen. Die zwar "nicht richtig" sprechen können, sich aber bald schon als freundlich-umgängliche Kollegen und nette Kumpels erweisen. Philippe gewöhnt sich ebenso schnell an sie wie an die reizende Landschaft und die "kulinarischen Vorzüge" hier. Kurzum: Wohlfühlen ist in der 4000 Seelen-Gemeinde Bergues, einem Pilgerort, werktags angesagt.

Das allerdings darf Monsieur niemals Zuhause zugeben; die nunmehr ganz liebe(nde) Ehefrau erwartet, ja besteht quasi auf die wöchentlichen Katastrophenberichte, um sich danach besonders rührend um ihren Gatten zu kümmern. Die vorher so problembeladene Zweisamkeit läuft plötzlich wie geschmiert, wenn er am Wochenende "aus dem Gulag" zurückkehrt.

Doch dann beschließt sie, ihn doch mal für eine Woche tapfer "in die Walachei" zu begleiten... Eine richtig schöne, liebevolle, mit vielen sarkastischen Slapstick-Motiven versehene Au-Weia-Komödie. Leicht, locker, charmant, augenzwinkernd freundliche Pointen setzend.

Ein atmosphärischer Jux, ein schöner, unterhaltsamer Spaß, der auch bei uns gut funktioniert, weil man sich mit der gewiss nicht einfachen Synchronisation riesige Mühe gegeben hat. Michael Lott (für "Philippe" Kad Merad) und vor allem Christoph Maria Herbst (für "Antoine", den Briefträger/Danny Boon) tauchen dabei verbal in die so eigene Dialekt-Seele ihrer Figuren ein, ohne dass es (zu) aufgesetzt oder übertrieben albern wirkt. Was anfangs gewöhnungsbedürftig klingt, wird schnell zum selbstverständlichen wie pfiffigen Vermittler. "Willkommen bei den Sch'tis" oder eine schöne französische Schelmerei.

"Mirrors"
USA 2008. Regie: Alexandre Aja. Darsteller: Kiefer Sutherland, Paula Patton, Cameron Boyce, Erica Gluck, Amy Smart, Mary Beth Peil. FSK: keine Jugendfreigabe. Länge: 111 Minuten

Der französische Regisseur, Drehbuchautor, Schauspieler und Filmproduzent Alexandre Aja wurde international mit den Horrorfilmen "High Tension" (2003) und "The Hills Have Eyes - Hügel der blutigen Augen", einem Remake des Wes-Craven-Klassikers (2006), bekannt. Der Arbeitstitel seines neuesten Films lautete "Into The Mirror" und ist identisch mit dem südkoreanischen Original, einem Geisterfilm von Kim Sung-hong aus dem Jahr 2003.

Die Story ist ebenso banal wie bekannt: Ben Carson war Cop in New York. Nach dem Tod seines Partners, den er versehentlich mitverschuldet hat, ist er schwer traumatisiert. Alkohol, Tabletten, Job-Aufgabe, das ganze miese Stimmungsprogramm. Als er die Stelle eines Nachwächters in einer verrußten Kaufhausruine in New York annimmt, die - zum Abriss vorgesehen - dennoch bewacht werden muss, beginnt der Spuk. Denn die riesigen Spiegel hier führen ein mysteriöses wie bedrohliches Eigenleben. Wie überhaupt das Gemäuer, in dem vor 50 Jahren eine Psychiatrie untergebracht war, offensichtlich böse Geheimnisse (ver-)birgt.

Sind die geisterhaften Erscheinungen nun Hirngespinste oder real? Ehrlich: Das ist völlig wurscht, handelt es sich hier doch wieder einmal nur um eine x-beliebige Hokuspokus-Geisterbahnfahrt, die vornehmlich auf lärmenden Sound und brachiale (Computer-)Effekte anstatt auf lustvolle Fantasy-Spannung setzt. Mit Kiefer Sutherland in der blassen Hauptrolle, der wohl mal für einen Moment seinen "Dauerbrenner", Federal Agent Jack Bauer in der TV-Kultserie "24", vergessen wollte. Was ihm vielleicht gelingt, uns aber nicht.
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