Vatikan

Ein "Zweifrontenkrieg" in der Kirche

Papst Franziskus hält im Rahmen der außerordentlichen Bischofssynode eine Rede.
Papst Franziskus hält im Rahmen der außerordentlichen Bischofssynode eine Rede. © ANDREAS SOLARO / AFP
Von Thomas Migge · 12.10.2014
Bischöfe aus aller Welt sind derzeit in Rom versammelt, um neue Wege der katholischen Kirche in Sachen Familie, Ehe und Sexualität zu finden. Das Ganze ist nicht öffentlich. Nach außen dringt aber doch einiges.
"Nach dem letzten Konsistorium, bei dem auch über das Thema Familie gesprochen wurde, im vergangenen Februar war das, schrieb mir ein Kardinal: 'Schade, dass einige Kardinäle nicht den Mut fanden, aus Respekt vor dem Papst, einige heikle Dinge anzusprechen. Sie dachten, dass der Papst anders denken würde.'"
Papst Franziskus hielt während seiner Ansprache zu Beginn der Synode inne und blickte in die Runde der 180 Synodalväter. Eine Redepause, um die Bedeutung seiner Worte zu unterstreichen. Dann fuhr er fort:
"Das ist nicht gut so. Das ist kein Verhalten im Sinn einer Synode. Denn man muss alles aussprechen, was man im Namen des Herrn für richtig hält. Und gleichzeitig muss man mit Demut zuhören können, mit offenem Herzen aufnehmen, was die Brüder zu sagen haben."
Der Papst fordert während der Synode immer wieder die Anwesenden dazu auf, Stellung zu beziehen, offen und ehrlich miteinander zu diskutieren. Er ermahnt die Synodalväter, darunter 61 Kardinäle und 47 Bischöfe, ihre, "Eitelkeiten außen vor zu lassen" und sich "auf das Wesentliche zu konzentrieren". Doch er wies auch darauf hin, dass an der Ehe als Lebensform nicht gerüttelt werden wird. Die Ehe, so Franziskus, "ist Symbol des Lebens, des realen Lebens, sie ist keine Fiktion".
Am Montag begann die Synode mit ihrer Arbeit. Jeden Tag treffen sich die Teilnehmer im Vatikan zu zwei "Generalkongregationen". Die erste beginnt morgens um 9 Uhr, die zweite nachmittags um 16.30 Uhr. Mittwochvormittag wurde zum Beispiel das Thema "Gottes Vorgaben zu Ehe und Familie, Wissen und Rezeption der Heiligen Schrift und die Dokumente der Kirche zum Thema" debattiert.
Schon Wochen vor der Synode mussten die Teilnehmer ihr Interesse an einem bestimmten Thema auf der Agenda dem Vatikan mitteilen. Jeder Synodalvater erhielt anschließend eine genau vorgeschriebene Redezeit, nicht mehr als vier Minuten, und musste seinen Beitrag gedruckt einreichen. Erst nach den zwei täglichen Generalkongregationen, bei denen Vorträge gehalten werden, wird offen diskutiert. Täglich zwischen 18 und 19 Uhr.
14 verheiratete Paare - davon ein gemischtreligiöses Ehepaar
Dieses Programm ist jeden Tag gleich, bis einschließlich Freitag. Am kommenden Wochenende wird die "relatio post disceptationem" vorbereitet, jener Text, der die wichtigsten Themen und Einstellungen der Synodalväter auf den Punkt bringt, und der dann am 13. Oktober im Synodal-Plenum diskutiert wird. Bis Donnerstag 16. Oktober werden einzelne Aspekte dieses Textes in kleinen Gruppen thematisiert. Anschließend bereiten die Teilnehmer den Abschlusstext "Relatio Synodi" vor. Sonntag 19. Oktober wird dieser erste Teil der Familiensynode mit einem päpstlichen Gottesdienst beendet - während dem Franziskus seinen Vorgänger Papst Paul VI. selig spricht.
An der Synode, die offiziell unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet - nur zwei Pressekonferenzen pro Tag, mittags und nachmittags, bieten gefilterte Informationen - nehmen auch 14 verheiratete Paare teil, darunter ein gemischtreligiöses Ehepaar. Er ist Moslem, sie Katholikin. Sie gehören zu der 38 Personen großen Gruppe der "uditori", die als Laien die Synode begleiten. Wie Arturo As Zamberline und seine Frau Maria. Sie kommen aus Brasilien und gehören der religiösen Laienbewegung Eqiupe Notre Dame an:
"Wir arbeiten mit jungen Leute aber vor allem mit christlichen Paaren zusammen. Wir arbeiten also alle in der Familienpastorale. Wir kümmern uns um Verlobte wie um Paare, die in zweiter Ehe leben. Uns geht es um das Sakrament der Ehe, und so hoffen wir, dass diese Synode uns einen Schritt auf dem Weg in eine moderne Kirche voranbringt."
Der Basilianer hofft, dass seine Kirche die Praxis im Umgang mit der Doktrin bezüglich der Ehe, der Scheidung und der Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene reformiert. Soweit reformiert, dass Möglichkeiten gefunden werden, auch Wiederverheiratete an der Eucharistie teilnehmen zu lassen.
Papst selbst hält sich zurück
Unter den neun Themen, die auf der Synodalagenda stehen, erregt vor allem der Punkt der Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene die Gemüter. Der Papst selbst hält sich bei den Debatten zurück. Er will, wie er mehrfach erklärte, nur zuhören. Gleichzeitig aber lässt er eine Sonderkommission an einer Reform des kirchlichen Eherechts arbeiten, die eine Annullierung von Ehen erleichtern könnte. Befürworter unter den reformoffenen Synodalvätern, wie Kardinal Walter Kasper, sehen darin einen ersten Schritt in Richtung einer möglichen Akzeptanz einer Zweitheirat für Katholiken seitens der Kirche.
Doch der päpstliche Reformkurs stößt auf kräftigen Gegenwind. Der Vorschlag von Kardinal Kasper, die Praxis der Doktrin, die zu diesem Punkt genaue Vorgaben liefert, insofern zu verändern, dass unter bestimmten Bedingungen diese Personengruppe an der Eucharistie partizipieren darf, wird von zahlreichen Synodalvätern entschieden abgelehnt. Auch von Gerhard Ludwig Müller, Präfekt der Glaubenskongregation der katholischen Kirche.
Verschiedene Kardinäle und Theologen sprachen sich in zwei direkt vor der Synode veröffentlichten Büchern gegen jede Form der Teilnahme wiederverheirateter Geschiedener an der Kommunion aus. Christian Weisner von der Initiative "Wir sind Kirche", die vor Ort in Rom die Synode beobachtet, ist davon überzeugt, dass "Kardinal Kasper den Reformkurs des Papstes repräsentiert".
Viel ist die Rede davon, vor allem in den italienische Medien, dass diese Synode eine Art Zweifrontenkrieg repräsentiert: Gegner und Befürworter der Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene stehen sich frontal gegenüber. Vor allem die Gegner einer Reform sind nicht zu Kompromissen bereit. Wie zum Beispiel Kardinal Velasio De Paolis, einer der fünf Autoren eines Buches, dessen Autoren, darunter Glaubenspräfekt Müller, sich gegen jede Form der Aufweichung kirchlicher Doktrinen aussprechen:
"Wenn wir hier eine Ausnahme machen in Sachen wiederverheirateter Geschiedener, wovon ich nicht ausgehe, dann stürzt die gesamte Konstruktion zwischen Reue, Eucharistie zusammen. Da ist eine Gefahr."
Kardinal de Paolis nimmt nicht an der Synode teil. Aber zahlreiche Kardinäle und Bischöfe die wie er denken. Ihr konkreter Buhmann ist Kardinal Walter Kasper. Wie es aus gut informierten Kreisen heißt herrscht zwischen den Gegnern und Befürwortern einer Reform zum Thema Ehe, Scheidung und Kommunion dicke Luft. So dicke Luft, dass die Hardliner beider Gruppen während der Synode nur selten direkt miteinander sprechen.
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