Van Morrison wird 75

Der mürrische Schweiger hat Geburtstag

06:10 Minuten
Van Morrison bei einem Konzert in Paris mit tiefgezogenem Hut und dunkler Sonnenbrille.
Van Morrison: In der Fachpresse wird erwähnt, wenn er auf der Bühne ausnahmsweise mal gelacht hat. © imago/ UPI Photo
Von Laf Überland · 31.08.2020
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Über 50 Alben hat Van Morrison bisher aufgenommen, darunter großartige, mittelmäßige und überraschende – je nachdem, was ihm seine Seele gerade aufgetragen hatte. Der rastlose Liebes- und Gottsucher mit der knödelnden Stimme wird 75 Jahre alt.
Ein schwarz gekleideter, kleiner Herr mit Hütchen und Sonnenbrille – so sieht man den großen irischen Singer-Songwriter heute meistens. Und seine schlechte Laune auf der Bühne ist legendär, denn der Mann aus Belfast hatte sehr früh beschlossen, dass er niemandem mehr etwas beweisen musste: Van Morrison kommuniziert halt nicht mit Worten, sondern mit dem Gesang seiner Seele.
Van Morrison ist eine Art keltischer Gospel-Buddhist – zwischen Soul und New Age, Jazz und Blues, sogar Country und Skiffle – und immer wieder auf der Rückkehr zu seinen Wurzeln: dem irischen Gefühl und seiner Jugend im nordirischen Belfast, wo er als Sechsjähriger mit seinem Vater in Plattenläden ging, um Jazz- und Blues-Platten anzuhören.

Aufgewachsen in einfachen Verhältnissen

Bald stand er dann am Hafen – wenn die Schiffe mit den amerikanischen Seeleuten anlegten, die in ihren Seesäcken all diese neuesten Singles aus Amerika hatten, die man sonst nur mit viel Glück und günstigen Windverhältnissen auf Radio Luxemburg hören konnte.
Mit zwölf stieg Van in die erste Band ein. Als Teenager tingelte er bereits mit Saxophon und Mundharmonika durch andere Länder. Mit 19 gründete er dann die Gruppe "Them" , die seine Stimme bekannt machte:
Nach zwei Jahren hatte er genug vom Bandzirkus, aus Amerika kam die Einladung zu einer Soloplatte, und ab da wurde Morrison zu "Van The Man"!
"Brown Eyed Girl", seinen ersten Hit, findet er ziemlich schwach: Aber 1968 fing er dann seine musikalische Suche nach der Wahrheit an – mit seinem unerhört folkig-jazzigen Meilensteinalbum "Astral Weeks".
Fortan kehrte Van Morrison stets sein Innerstes nach außen, radikal persönlich, war Pilger und Suchender: Meditation, Therapie, Verzweiflung, Demut in mäandernden Streifzügen durch Religionen und Mythen. Manchmal holte er sich ein Streichorchester dazu, mal einen Chor und manchmal auch eine ausgewachsene Jazz-Big-Band.
Seine Musik paarte sich im Laufe der Jahrzehnte auch schon mal zu ziemlich merkwürdigen Sachen: einer Skiffle-Platte zum Beispiel, einer Country-Boogie-Platte mit der Schwester von Jerry Lee Lewis und natürlich einem Album mit den Irish-Folk-Missionaren von den Chieftains.
In den letzten Jahren allerdings ist er von den Weiten der kosmischen Seele zurückgekehrt und schwingt zwischen der Musik seiner Jugend, die zwischen Backsteinhäusern und den Spelunken zuhause war, und der anderen Seelenmusik, die Country heißt.

Geschlossene Augen und in sich selbst versunken

Auf der Bühne gehört "Van The Man" aber immer noch zu den großen mürrischen Schweigern, bei dem es durch die Fachpresse geht, wenn er auf der Bühne gelacht hat: Mit geschlossenen Augen und in sich selbst versunken singt und bläst er in die Mundharmonika oder ins Saxophon.
Gelegentlich hängt er sich eine E-Gitarre um, und nur, wenn ihm irgendwas von außen, um ihn herum, nicht gefällt – Lautsprecher zu leise, Band zu langsam oder Tee zu heiß – dann reagiert er unwirsch.
Trotzdem bereitet ihm Irland zu seinem 75. Geburtstag ein ungewöhnliches Fest: Seit einem Monat und noch den September lang singen und spielen auf YouTube 75 namhafte Musiker des Landes Morrison-Stücke – organisiert vom Musikmagazin "HotPress" und mit Unterstützung des Präsidenten der Republik Irland. Denn obwohl Van aus Nordirland stammt, ist er ein gesamtirisches Nationalheiligtum.
"Rave On, Van Morrison" heißt das YouTube-Festival, benannt nach einem Stück von "Van The Man": Schwärm weiter, spinn weiter, du heiliger Narr.
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