US-Regisseur Noah Baumbach

"Wir versuchen uns immer alles schönzureden"

Josh (gespielt von Ben Stiller) und Cornelia (Naomi Watts) haben ein Schlüsselerlebnis: Filmszene aus "Gefühlt Mitte Zwanzig" von Noah Baumbach
Josh (gespielt von Ben Stiller) und Cornelia (Naomi Watts) haben ein Schlüsselerlebnis: Filmszene aus "Gefühlt Mitte Zwanzig" von Noah Baumbach © SquareOne/Univers
Noah Baumbach im Gespräch mit Susanne Burg · 25.07.2015
Ein Paar Mitte Vierzig wünscht sich ein Kind und muss zusehen, wie Freunde, die sehr viel jünger sind, das Baby einfach bekommen. Noah Baumbach hat mit "Gefühlt Mitte Zwanzig" einen Film übers Altern gedreht, wie er sagt – und darüber, dass Hoffnungen auch zerplatzen können.
Susanne Burg: Als "Francis Ha" vor zwei Jahren, da klangen die Kritik häufig ein bisschen wie Liebeserklärungen, was wohl auch mit der Hauptdarstellerin Greta Gerwig zu tun hatte. Gerwig spielte darin eine mittezwanzig-jährige Tänzerin ohne größere Karriere, die in New York feststellt, dass alle um sie herum erwachsen werden, nur sie nicht. Der Schöpfer dieses Film Noah Baumbach gilt als einer der Vorreiter des Mumblecore, jener Spielart des Independent Films, bei der Regisseure mangels finanzieller Möglichkeiten stark auf den Dialog setzen. Das Budget für Baumbach neuen Film "Gefühlt Mitte Zwanzig", der am Donnerstag in die Kinos kommt, ist nun deutlich größer. Diesmal spielen Ben Stille rund Naomi Watts mit. Aber seinem dahin plätschernden Erzählstil bleibt er immer noch treu. In "Gefühlt Mitte Zwanzig" stellt er nun ein Paar Mitte vierzig ins Zentrum. Sie haben ein Leben, sind verheiratet, wirken aber trotzdem ziemlich verloren und auch nicht wirklich erwachsen.
Als ich Noah Baumbach zum Interview getroffen habe, habe ich ihn deswegen gefragt, ob "Gefühlt Mitte Zwanzig" für ihn eine logische Fortsetzung von "Frances Ha" war.
Baumbach: Also so habe ich das eigentlich gar nicht gesehen. Ich hab jetzt eine direkte Verbindung zwischen meinen beiden letzten Filmen, also hier zu "Frances Ha" und "Gefühlt Mitte Zwanzig", so direkt habe ich das nicht beabsichtigt. Aber Sie haben das schon richtig beobachtet, dass in beiden Filmen Menschen sich eben entdeckten. Sie versuchen, etwas über sich selbst herauszufinden, aber sie befinden sich in verschiedenen Stadien ihres Lebens.
Und diese inneren Kämpfe, die die Protagonistin in "Frances Ha" mit sich ausgefochten hat, solche Kämpfe finden immer noch statt, auch bei den Protagonisten des neuen Films, nur sind sie natürlich ein bisschen älter und natürlich auch ein bisschen reifer geworden.
Burg: Ein großes Thema bei dem Paar, um das es geht, Josh und Cornelia, ist, dass sie ein Kind haben wollen. Dann kriegen sie keins, dann beschließen sie, das Leben ist eigentlich auch ganz schön ohne Kind. Das Thema kommt im Film immer wieder auf – inwieweit steht diese Frage auch stellvertretend dafür, wo es im Leben hingehen soll?
"Nicht alle unsere Hoffnungen erfüllen sich"
Baumbach: Na ja, der Film behandelt eben auch solche wichtigen Dinge im Leben, dass gewisse Türen irgendwann einfach auch verschlossen sind und dass nicht alles, was wir uns vorgenommen haben, nicht alle unsere Hoffnungen sich erfüllen und dass wir nicht all das, was wir mal im Leben leisten wollen, nun auch wirklich leisten können. Und für Paare ist es einfach so, da gibt's eben auch biologische Zwänge, gerade für Frauen. Und gerade, wenn man sich eigentlich vornimmt, mit Kindern noch ein bisschen zu warten, dann kommt schon der Punkt, wo du plötzlich unter Zeitstress gerätst. Zumindest wenn du auf traditionelle Art und Weise Kinder haben willst, dann schreibt die Biologie dir da schon gewisse Grenzen vor.
Und wenn ich einen Film über ein kinderloses Paar um die 40 machen wollte, ein Paar, das keine Kinder hat, dann sollte sich das auch ein bisschen in das größere Thema des Filmes einfügen, dass wir gewisse Entscheidungen treffen müssen, bevor sich diese Entscheidungen letztendlich erledigt haben.
Burg: Es gibt noch ein zweites Paar, die sind sehr viel jünger, und Josh und Cornelia freunden sich an mit ihnen. Und wenn man so das jetzt in Generationenterminologie packt, dann gehören Josh und Cornelia zur Generation X, das sind die, die ohne Internet und Social Media aufwuchsen, noch die letzte Generation. Inwieweit ist es eine Bestandsaufnahme, inwieweit aber auch ein grundsätzliches Statement über die Angst einfach der älteren Generation vor der jungen?
Baumbach: Nun, ich beginne ja meinen Film mit einem Zitat aus dem Stück von Henrik Ibsen, "Baumeister Solness", und da versuche ich ja genau das auszudrücken, dass die Jugend sozusagen an die Tür klopft und jetzt die ältere Generation nicht genau weiß, wie man damit umgehen soll, ob man sie hereinlassen soll in diese Tür. Und was Ibsen in wenigen Dialogen schafft, dafür habe ich 90 Minuten mit meinem Film gebraucht. Aber ich wollte natürlich einerseits einen Film machen, der im Hier und Heute spielt, der etwas über die heutige Zeit aussagt, über das, was zurzeit kulturell für uns wichtig ist, Dinge, die in Brooklyn und Manhattan relevant sind, aber natürlich hat es mich auch interessiert, etwas sehr viel Allgemeineres zu sagen, was mehr in die philosophische, in die psychologische Richtung geht, wenn es einfach um das Altern geht.
Burg: Josh, der Protagonist, gespielt von Ben Stiller, ist Filmemacher und er unterrichtet auch an einer Uni. Da gibt es eine Szene, wo er in einer Vorlesung ist und über Jean-Luc Godard redet und sagt, Godard hätte gesagt: Dokumentarfilme sind Filme über andere Spielfilme, sind Filme über mich. Ist das ein Film auch über Sie?
Baumbach: Das war natürlich auch für mich eine Möglichkeit, damit zu spielen, also auch mit Dingen und Gedanken zu spielen, die ich da selber habe. Ich denke, dass man einen großen Unterschied machen muss. Ich sag immer gerne, meine Filme sind zwar persönlich, aber sie sind autobiografisch. Das hängt immer natürlich von den einzelnen Filmen ab, ich versuche da natürlich schon, gewisse Gedanken oder Dinge, die mich beschäftigen, mit einzubringen, aber die Filme, die ich mache, die stehen eigentlich nicht in Beziehung, in direkter Beziehung zu mir, zu meiner Person oder zu dem, was ich gerade bin.
Burg: Ja, vielleicht hat mich das auch angesprochen, weil ich dachte, es sagt ja auch was über das Selbstverständnis eines Künstlers aus, worüber möchte ich ein Werk schaffen oder was für ein Werk möchte ich schöpfen.
"Ich wollte die Menschlichkeit dieser Figuren zeigen"
Baumbach: Nun, in diesem Film schreibe ich eben über Künstler. Das sind Menschen, die ich irgendwo verstehe und die ich irgendwie auch kenne. Und mein Interesse bestand einfach darin, die Menschlichkeit dieser Figuren zu zeigen, eben mehr im psychologischen und emotionalen Sinne auch den Zuschauer zu enthalten und nicht etwas Autobiografisches zu machen.
Burg: Weil Sie sagten, psychologisch wahre Momente, davon gibt es sehr viele. Einige davon sind sehr, sehr komisch, manche auch ein bisschen peinlich, zum Fremdschämen, also in gutem Sinne. Als Josh und Cornelia zum Beispiel bei ihren ehemals besten Freunden, die jetzt ein Kind bekommen haben und sich so ein bisschen entfernt haben, als Überraschung vor der Tür stehen, stellen sie fest, da findet eine Party statt, und Josh und Cornelia sind gar nicht eingeladen. Dann entsteht wirklich ein sehr peinlicher Moment zwischen den Vieren. Welchen Test muss Humor bei Ihnen bestehen, um es in den Film zu schaffen?
Baumbach: Also ich trenne jetzt nicht die humorischen Aspekte eines Films von den eher ernsten Momenten. Ich versuche eigentlich immer, aus einer Perspektive heraus zu schreiben und zu erzählen, die eher komische Elemente in den Vordergrund stellt, das entspricht einfach meiner Sensibilität. Aber natürlich versuche ich, Nuancen mit einzubringen, und diese ernsten Momente, die kommen natürlich vor. Das sind alles Szenen, so wie ich das Leben einfach sehe, und ich schreib es nicht unbedingt, damit der Zuschauer lacht oder damit der Zuschauer sich fremdschämt oder sich ein bisschen unwohl und ertappt fühlt.
Natürlich gibt es ganz direkte Sachen, wo ich schön möchte, dass auf einen Witz auch mit Lachen reagiert wird, oder manchmal lachen die Zuschauer auch in Momenten, wo ich das gar nicht vorgesehen hatte, dann hab ich wahrscheinlich was falsch gemacht. Aber die Szene, die Sie gerade angesprochen haben, ja, Sie haben das ganz gut getroffen, einerseits fühlt man sich unwohl, andererseits ist das eine komische Situation. Und ich glaube, die funktioniert beim Zuschauer, weil das etwas ist, in das er sich hineinversetzen kann, was ihm irgendwie vertraut erscheint.
Burg: Und vielleicht auch, dass in diesem Moment eine größere Wahrheit offenbart wird, nämlich dass die vier sich voneinander sehr entfremdet haben?
Baumbach: Ich glaube, dass mein Film von der Eröffnungsszene an dokumentiert die Dinge, die wir aussprechen, und die Dinge, die wir nicht aussprechen. Nur tut er das auf eine sehr amüsante Art und Weise. Wir versuchen uns dann immer alles schönzureden – es ist ja alles okay, es ist ja alles in Ordnung, wir sind ja glücklich. Und dann kommt es aber zu einem Moment, und deswegen ist diese Szene hier so wichtig, da wird all das auf den Kopf gestellt, was wir uns immer schönreden, was wir immer rationalisieren.
Und da ist eben diese Situation, das eine Paar hat ein Kind bekommen und das andere noch nicht, und nun fühlt man sich auf verschiedenste Art und Weise ein bisschen außen vor gelassen. Beide Paare denken natürlich, dass sie alles richtig gemacht haben, aber natürlich ist das eine Paar auch verletzt. Man fühlt sich auch als Erwachsener manchmal noch richtig verlassen, da sie jetzt eben dieses Baby nicht haben und so ein bisschen das Gefühl haben, sie sind verlassen worden aufgrund eines Babys. Diese Szene zeigt aber auch, dass es von da an, von diesem Punkt an dann auch wirklich weitergehen kann, dass sie dann eine andere Richtung einschlagen können.

Hier auf der Berlinale 2010: Die Schauspieler Rhys Ifans und Ben Stiller, der US-Regisseur Noah Baumbach und die Schauspielerin Greta Gerwig
Hier auf der Berlinale 2010: Die Schauspieler Rhys Ifans und Ben Stiller, der US-Regisseur Noah Baumbach und die Schauspielerin Greta Gerwig © picture alliance / dpa
Burg: In welcher Komödientradition sehen Sie sich eigentlich?
Baumbach: Also dieser Film ist schon auch eine Art Hommage an die Screwball-Komödien der 30er- und 40er-Jahre, wie sie Hollywood damals gemacht hat, wo es sehr viel um Paare ging, um Ehen ging, aber auch um Paare, die sich getrennt haben, nur um dann wieder neu zu heiraten. Und das Studiosystem in Amerika, noch als ich ein Teenager war, hat diese Art von Themen, Unterhaltung für Erwachsene, noch bevorzugt produziert. Und deswegen dachte ich, jetzt versuche ich mal, meine Version dieser Form von Komödien zu drehen, in dem Paare im Mittelpunkt stehen und in denen Erwachsene in erster Linie angesprochen werden.
Burg: Vielen Dank, thank you very much!
Baumbach: Thanks a lot!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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