Ursulinenkloster Calvarienberg

Der Streit um das verlassene Kloster

10:49 Minuten
Ein riesiges Kloster umringt von Weinbergen
Umbau im Denkmal: Das Ursulinenkloster auf dem Kalvarienberg soll in Eigentumswohnungen verwandelt werden. © imago images / Shotshop
Von Anke Petermann · 27.05.2021
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In Ahrweiler steht ein riesiges Kloster leer. Ein Investor will darin Eigentumswohnungen errichten. Doch wie genau der identitätsstiftende Ort modernisiert werden soll, ist umstritten.
Der Blick aus dem Garten des Ahrweiler Lehrers und Fotografen Klaus Dünker nach Südwesten beeindruckt: Auf dem hügelartigen Calvarienberg erstreckt sich eine schwarze Dachlandschaft mit unzähligen Giebeln und Türmchen über Spitzbogenfenstern und mächtigen Klostermauern.
Seit 2017 hat Klaus Dünker fast jeden Winkel des Areals fotografiert, drei Jahre lang. "Kloster Calvarienberg – als die Ursulinen den Berg verließen" heißt sein großformatiger Bildband.

Bilder von einem verlassenen Ort

Dass die Nonnen das Kloster aufgaben war ein Schock für Bad Neuenahr-Ahrweiler, erinnert sich Dünker. Der Kunst-Pädagoge hat das leere Kloster als eigene Welt erlebt:
"In jeder Ecke finden Sie Zimmer und Zellen, teilweise in einer Größe von zweimal zwei Metern, und wenn Sie an diesen Räumen vorbeigehen, finden Sie teilweise noch die Namensschilder der damaligen Bewohnerinnen, der Schwestern, der Schwesterschülerinnen. Das sind mehrere hundert Zimmer. Es sind Riesen-Anlagen oben unter den Dächern, da können Sie Fußball spielen."
Kaum eine Kostbarkeit, kaum eine Kuriosität aus vier Jahrhunderten, die Dünker nicht abgelichtet hat: ein Messing-Fisch als Türklinke, hölzerne Kassettendecken, kunstvoll bunt geflieste Böden, nummerierte Zellentüren, ein Flur-Lautsprecher der 1950er Jahre. Kombiniert mit historischen Ansichten, die den Wandel dokumentieren. Die alte Postkarte vom Malsaal zeigt, wie Schwestern um die Jahrhundertwende an Staffeleien standen.

Ein Parkdeck vor dem Kloster

Die Tür in der drei Meter hohen Klostermauer gibt es noch, doch der Klostergarten ist längst verschwunden. Bald gibt die benachbarte Gartenbaufirma ihren gepachteten Betriebshof auf dem Gelände auf. Hier will der Würzburger Architekt Roland Breunig ergänzend zum Umbau des Klosters einen Komplex mit Eigentumswohnungen, Gewerbe und Gastronomie ein neues Wohnquartier mit acht Mehrfamilienhäusern und zehn Reihenhäusern auf halb in den Untergrund versenkten Parkdecks bauen. "Wohnen im Klostergarten", nennt Breuning das:
"Man hat durchaus auch einen Quartierscharakter hinter der Mauer. Das Charmante an der Situation ist, dass sich dieser Klostergarten in ein bestehendes Wohngebiet, das in den vergangenen Jahrzehnten außen rum gewachsen ist, einschneidet und dieses damit sehr logisch ergänzt."
Weitere Wohneinheiten will die Breunig Holding GmbH unterhalb des Klosters terrassenförmig staffeln, wo jetzt noch alte Schuppen stehen. All das ziemlich unumstritten, bis auf die Frage, wie die schmalen Wohnstraßen zusätzliche 400 Autos aus zwei Tiefgaragen und weiteren Stellplätzen verkraften.

Klar ist: Das Areal soll nicht leerstehen

Konsens in Ahrweiler ist: Das identitätsstiftende Kloster auf dem Calvarienberg darf nicht verfallen, das Areal soll genutzt werden, aber nicht zugebaut. Genau das fürchten die vier Kritiker, die sich an diesem windigen Nachmittag mit den Bauplänen in der Hand auf dem Betriebshof der Gärtnerei zur Ortsbesichtigung treffen.
Sabine Weber-Graeff schaut im Wechsel in den Plan und ins Gelände. Wo käme das vom Investor zusätzlich geplante Wohnhaus mit vier vollen und zwei oder drei nach hinten versetzten Geschossen hin, fragen sich die Anwohnerin und ihre Mitstreiter.
Zwischen dem Kloster und den mächtigen Nadelbäumen würde das Gebäude aufragen, glauben die Vier mit Blick in die Pläne. Weber-Graeff runzelt die Stirn: zu hoch, zu nah am Kloster, findet sie.
Der Regionale Raumordnungsplan Mittelrhein-Westerwald bezeichnet das Kloster Calvarienberg als "dominierende landschaftsprägende Gesamtanlage mit erheblicher Fernwirkung". Als Kulturdenkmal in Ahrweiler weithin sichtbar unter anderem vom beliebten "Rotweinwanderweg" durch die Weinberge.

Die Stadträtin steht hinter dem Investor

Roland Breunig glaubt, dem Raumordnungsplan auch mit dem höchsten Gebäude im neuen Wohnquartier gerecht zu werden: "Das wird die Fernwirkung nicht beeinträchtigen. Der 'grüne Vermittler', das war natürlich ein Thema, was auch intensiv besprochen werden musste – sowohl mit der Stadt als auch mit dem Denkmalamt. Den haben wir bewusst nur sechs oder siebengeschossig vorgesehen. Und der drückt sich im hinteren Bereich an die Hangkante. Dahinter stehen sehr, sehr mächtige Bäume, die ihn weit überragen, und die Klosteranlage kommt erst darüber. Er verstellt sie nicht, sondern er steht daneben."
Bürgermeister und Stadtrat von Bad Neuenahr-Ahrweiler vertrauen dem Bauträger voll und ganz, loben unisono das "nachhaltige Projekt". Wird es realisiert, dann fließt der Verkaufserlös, wie von den Ursulinen bestimmt, in die Schulstiftung. Und damit in die Sanierung von Gymnasium und Realschule Calvarienberg, eine wichtige katholische Bildungseinrichtung der Region.
Den laufenden Betrieb finanzieren der Staat und das Bistum Trier. Doch für neue Toiletten, Beleuchtung und Digitalisierung fehlte bislang Geld, sagt Annette Gies, Leiterin des Gymnasiums und Mitglied im Stiftungsvorstand.
Das geplante Wohnhaus mit knapp 24 Meter Höhe beeinträchtigt den Blick aufs Kloster nicht – davon ist die CDU-Stadträtin überzeugt.

Umweltschützer sind skeptisch

Reinhard van Ooyen vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland BUND steht genau dort auf dem Gärtnerei-Gelände, wo es gebaut werden soll, und kontert: "Der BUND lehnt den 'grünen Vermittler' in dieser Höhe ab, weil er den Blick auf die Fassade des Klosters verstellt und deshalb aus Denkmalschutz-Aspekten nicht zu genehmigen ist."
Wenn jetzt der Bebauungsplan aufgestellt wird, will der BUND darauf pochen. Die Fernwirkung des Klosters hat auch die Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz im Auge. Als Obere Denkmalschutzbehörde entscheidet sie allerdings nicht, sondern berät die Untere Denkmalschutzbehörde des Kreises Ahrweiler nur.

Streit um die Sichtachsen

Die Sichtachsen müssten nun genau untersucht werden, die Umgebungssituation des hochwertigen Denkmals dürfe sich nicht verschlechtern, sagt die Landeskonservatorin auf Anfrage.
Ob der Architekt seine Pläne korrigieren muss, ergibt sich im Lauf des Jahres. Wo die Schwelle liegt, an der das Gesamtvorhaben für die Breunig Holding unrentabel wird und scheitern könnte ist kaum abzuschätzen. Fest steht: Mit Hilfe der einträglicheren Neubauten soll der aufwändige Erhalt des alten Gemäuers querfinanziert werden. 50 Millionen Euro will die Breunig Holding insgesamt investieren, den größten Teil davon ins leere Kloster. Das werde gepflegt und geheizt, so Breunig:
"Nichtsdestotrotz werden die Umbauten, die dort oben stattfinden, aus brandschutz-, aus schallschutz-, aber rein auch aus Nutzungs-Erwägungen heraus Eingriffe erfordern, die – im Rahmen des Denkmalschutzes – trotzdem groß sein werden. Wir haben ungefähr 12.000 Quadratmeter Fläche im Kloster und gut 6000 Quadratmeter Neubaufläche, und in etwa in dem Verhältnis werden sich die Kosten bewegen."

Auch ein Hotel soll her

Im Kloster sollen Eigentumswohnungen verschiedenster Größe entstehen, zudem will die Breunig Holding Gastronomie und Manufakturen auf den Calvarienberg von Ahrweiler locken. Einen Betreiber für ein Vier-Sterne-Hotel mit 100 Betten sucht Roland Breunig noch. Findet sich keiner, will er noch mehr Wohnungen im Kloster einrichten. Die Pandemie macht die Planung schwierig: Wagemutige Hoteliers, Grafikerinnen und Schneider sind rar.
In den kommenden Monaten wird man in Bad Neuenahr-Ahrweiler über die Kloster-Nutzung und über den Schutz seltener Fledermäuse im Dachgebälk diskutieren. Außerdem darüber streiten, ob der 'grüne Vermittler' in der geplanten Höhe kommt. Das Kloster prägt die Stadt – auch als Bauprojekt.
"Ich hoffe natürlich als kunstinteressierter Mensch, dass man dort den richtigen Weg findet und wirklich viel von diesem Geist, der in diesem Hause herrscht, retten kann.", so der Fotograf Klaus Dünker.
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