Uraufführung

Vom Backen des Blutkuchens

Von Alexander Kohlmann · 29.11.2013
In Bremen kommt ein Text zur Uraufführung, den Elfriede Jelinek für den verstorbenen Künstler Christoph Schlingensief geschrieben hatte. Eine Inszenierung mit starken Bildern, die jedoch überfordert.
Ursprünglich geschrieben hat sie diese Texte für den an Krebs erkrankten Christoph Schlingensief, der sein eigenes Sterben im Jahr 2010 zum Gegenstand einer viel beachteten künstlerischen Auseinandersetzung machte. Für seine Inszenierung "Mea Culpa" lieferte Jelinek mit "Tod-krank.doc" einen Berg an Material. Schlingensief verwendete aber nur einen kleinen Teil daraus, der Rest blieb unaufgeführt und verschwand nach seinem Tod für lange Zeit in Jelineks Schublade. Zu konkret war wohl der Anlass, für den sie den Text geschrieben hatte, als das er ohne Schlingensief aufgeführt werden sollte.
Bei der jetzt nachgeholten Uraufführung ist der verstorbene Künstler bereits von Beginn an präsent. Auf der mit Nebelschwaden gefluteten Bühne sind schemenhafte Gestalten in halb verwesten, barockisierenden Kostümen mit zotteligen Haaren zu erkennen. Aus den Lautsprechern tönt knisternd-verzerrt Schlingensiefs Stimme. Ein Gespräch offenbar, das in den letzten Monaten vor seinem Tod aufgenommen worden sein muss, in dem seine Verzweiflung deutlich zu hören ist. Und sein Sich-Wehren, Kämpfen, Nicht-Akzeptieren-wollen und bis zum Ende Gegen-die-eigene-Vergänglichkeit-Angehen.
Mit diesem berührenden Eindruck beginnt die Performance. Die verrotteten Untoten sprechen von einem Blutkuchen, der im Körper gewachsen ist und schließlich rausgeschnitten werden musste. Später kommen Bühnenbildner mit Engelsflügeln. Diese werden den Schauspielern angelegt, bevor sie nach oben gezogen werden. Dort hängen sie dann und räsonieren weiter - einer die Zigarette noch in der Hand. Das Rauchen, es überlebt hier auch den Tod.
Es gibt im Wesentlichen zwei Wege, sich den berüchtigten Jelinekschen Textflächen zu stellen. Der eine fokussiert die Inszenierung auf die Texte, stellt fast konzertant die Sprache aus und ergänzt ihre assoziativen Sprachbilder mit einem zurückgenommenen Geschehen auf der Bühne. Der andere nimmt den Text als Inspiration für ausufernde Bildwelten. Für ein Sich-Hineindenken und -Fühlen der Schauspieler, für eine Transformation des Textes in ein Bühnengeschehen, anstelle eines bloßen Ausstellens.
Wie auch an diesem Abend in Bremen geschehen, an dem der Text und die Bühnenperformance einen regelrechten Wettlauf miteinander eingehen. Der Zuschauer wird dabei durch das auf ihn einprasselnde visuelle und akustische Material völlig überfordert. Und durch die Kraft der Schauspieler, die sich das Todesthema regelrecht zu eigen gemacht haben, gezwungen, sich selbst zu dem morbiden Geschehen auf der Bühne in Bezug zu setzen.
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