Unwort des Jahres

"Der Begriff Klimahysterie ist diffamierend und herabsetzend"

07:19 Minuten
"Fridays For Future" demonstrieren im Mai 2019 in München.
Das Wort "Klimahysterie" sei "diffamierend und herabsetzend" gegenüber denjenigen, die sich für den Klimaschutz einsetzten wie zum Beispiel "Fridays for Future", so Stephan Hebel. © picture alliance / NurPhoto / Alexander Pohl
Stephan Hebel im Gespräch mit Vladimir Balzer · 14.01.2020
Audio herunterladen
Das Klima war eines der wichtigsten Themen im vergangenen Jahr. Der Begriff "Klimahysterie" ist nun zum "Unwort des Jahres 2019" gewählt worden. Hinter dem Wort verstecke sich jedoch ein viel größeres Problem, meint Jury-Mitglied Stephan Hebel.
Das Unwort des Jahres lautet "Klimahysterie". Die Jury aus Sprachwissenschaftlern begründete ihre Auswahl damit, dass Klimaschutzbemühungen und die Klimaschutzbewegung diffamiert und Debatten diskreditiert werden.
Stephan Hebel, Mitglied in der Jury des "Unwort des Jahres", betonte, die Jury rüge nicht einzelne politische Meinungen. Man könne auch der Überzeugung sein, dass der Klimawandel nicht so schlimm sei, wie beispielsweise "Fridays for Future" denkt. "Wenn man das aber versucht, dadurch auszudrücken, indem man den Gegner pauschal der Irrationalität bezichtigt, dann halten wir das schon für diffamierend und herabsetzend", so Hebel.

Der Begriff erweckt den falschen Eindruck

Es werde von denjenigen, die den Begriff gebrauchen, interessanterweise nicht eine ganz spezielle Gruppe angesprochen. "Sondern sie erwecken den Eindruck, wenn sie die Interviews nachlesen, als sei die sogenannte Klimahysterie, ein allgemeiner gesellschaftlicher Trend, dem man sich entgegenstellen müsse."
Dies mache es aus Hebels Sicht jedoch noch schlimmer. "Das sorgt nämlich dafür, dass der Eindruck erweckt wird, 'Wir müssten nur die Leute ein bisschen zur Vernunft bringen, also weg von der Irrationalität, dann hätten wir das Problem quasi gelöst'." Daher setze der Begriff "Klimahysterie" alle herab, die sich wegen des Klimawandels ernsthafte Sorgen machten, und versuchten, dagegen etwas zu tun, warnt Hebel.

Für einen besseren politischen Diskurs

Bei einem so existenziellen Thema sei es "extrem wichtig", dass man sich auf wissenschaftliche Fakten oder Ansichten berufe und man einen Diskurs auch auf dieser Basis führe, sagt Hebel. Es mache ihm große Sorgen, dass immer mehr versucht wird, "mit herabsetzenden, auch beleidigenden Sprechweisen den politischen Gegner sozusagen kleinzumachen."
Er halte die Aktion "Unwort des Jahres" in diesem Zusammenhang für wichtig. Denn gehe es darum, "daran zu erinnern das wir, wenn die Demokratie unter den heutigen Bedingungen weiter funktionieren soll, eine Rationalisierung, nenne ich es mal, des politischen Diskurses wieder brauchen", so Hebel, "eine Achtsamkeit gegenüber unterschiedlichen Meinungen".
(kpa)
Mehr zum Thema