Meinung
Zusage für Milliarden-Investitionen aus Saudi-Arabien: US-Präsident Trump und Kronprinz Mohammed bin Salman in Riad © IMAGO / UPI Photo / Saudi Foreign Ministry
"Deal" – das Unwort der Gegenwart
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„Sprache ist das bildende Organ des Gedankens“ stellte der Gelehrte Wilhelm von Humboldt schon vor über 200 Jahren fest. Wenn also US-Präsident Trump geradezu inflationär das Wort „Deal“ benutzt, verrät das viel über seine Geisteshaltung.
Sprachgeschichtlich ist das Wort "Deal" verwandt mit dem deutschen Wort "Teil" — "to deal" hieß ursprünglich so viel wie "teilen", "aufteilen" oder "verteilen", und diese Bedeutungen können im Englischen auch heute noch mitschwingen, wenn von einem "Deal" die Rede ist.
Das war auch der Fall, als das Wort seinen Weg in die amerikanische Politik fand — und zwar nicht durch Donald Trump, sondern durch einen anderen amerikanischen Präsidenten — Franklin D. Roosevelt. Der kündigte bei seiner Nominierung als Kandidat der demokratischen Partei 1932 einen "New Deal for the American people" an. Roosevelt kritisierte den Eigennutz, der das Verhältnis zwischen den Menschen und den Nationen zu lange geprägt habe — sein "New Deal" sollte den Reichtum des Landes ganz im Sinne der ursprünglichen Bedeutung des Wortes neu — und gerechter — verteilen.
Wenn US-Präsident Trump heute von einem "Deal" spricht, meint er damit etwas völlig anderes.
Erpressung als Mittel der Politik
Das Grundprinzip Trump'scher "Deals" ist es, sein Gegenüber zunächst in eine untragbare Zwangslage zu versetzen, und ihm dann weitreichende Zugeständnisse abzupressen. Im Gegenzug stellt er im besten Fall eine Rückkehr zum ursprünglichen Zustand in Aussicht. So läuft es derzeit mit den Zöllen, die er als Druckmittel gegen alles und jeden einsetzt. Und so lief es zuletzt mit der Ukraine, der Trump erst die Militärhilfen strich, um sie dann zu zwingen, den USA Zugang zu wertvollen Rohstoffen zuzusichern. Als Gegenleistung erhält die Ukraine nun einen Bruchteil der vorher zugesagten Militärhilfen.
Diese Erpressungstaktik einen "Deal" zu nennen, ist schon sehr beschönigend. Als Geschäftsmann hätte Trump das zumindest nach außen auch so gesehen. In seiner Autobiografie "The Art of the Deal", die er sich 1987 als aufstrebender New Yorker Immobilienunternehmer auf den Leib schreiben ließ, sind "Deals" Geschäfte, bei denen beide Seiten etwas bekommen — Win-Win-Situationen zwischen zwei Geschäftspartnern. Bei den "Deals", die er als US-Präsident macht, oder machen will, gewinnt nur eine Seite — seine eigene.
Aber das Problem mit dem Sprachbild des politischen "Deals" geht tiefer — es ist auch dort gefährlich, wo es mit der Vorstellung eines beiderseitigen Vorteils verknüpft wäre. Denn in der Politik geht es eben nicht um Gewinne, um den Eigennutz von Menschen oder Nationen. Es geht, wie schon Roosevelt anmahnte, um gemeinsame Verantwortung, um ein möglichst gerechtes Verteilen von Ressourcen, das den Menschen ein gutes Leben und den Nationen ein friedliches Miteinander ermöglicht.
Vorsicht bei der Wortwahl
Dass sich dieses Ideal nicht immer erreichen lässt, ist klar. Schon immer war Politik manchmal auch ein Geschäft, bei dem jede Partei versucht, für sich herauszuholen, was eben herauszuholen ist. Aber gerade deshalb müssen wir auf unsere Wortwahl achten. Wie wir über etwas sprechen, beeinflusst, wie wir darüber nachdenken. Je mehr wir den "Deal" zum alles beherrschenden Sprachbild für politisches Handeln machen, desto selbstverständlicher kommen uns solche Geschäfte vor. Und desto schwerer fällt uns die Erinnerung daran, was Politik außerhalb solcher Geschäfte einmal war oder die Vorstellung davon, was sie noch sein könnte.
Wir sollten das Wort "Deal" deshalb keinesfalls übernehmen, wie es viele Medien und Politiker in Deutschland derzeit tun. Zumal es im Deutschen, anders als im Englischen, einen negativen Beiklang hat — es bezeichnet nicht einfach nur ein Geschäft, sondern ein schmutziges, fragwürdiges und undurchsichtiges Geschäft. Wenn das zum Leitbild unseres politischen Denkens wird, steht ein Verlierer schon fest — unsere Demokratie.