Unternehmerin und Lokalpolitikerin Njeri Kinyanjui

Afrikanische Gelassenheit und schwäbischer Fleiß

33:14 Minuten
Eine Schwarze Frau steht an einem Tresen. Sie stützt ihren linken Arm ab und lächselt in die Kamera. Es ist Njeri Kinyanjui.
Von Nairobi nach Reutlingen: Die Volkswirtin Njeri Kinyanjui engagiert sich im Schwäbischen für die Grünen in der Lokalpolitik. © Moshood Adekunle
Moderation: Ulrike Timm · 09.11.2021
Audio herunterladen
Bereits als Jugendliche in Kenias Hauptstadt Nairobi würzte Njeri Kinyanjui ihr fades Schulessen nach. In Reutlingen gründet die Volkswirtin die Soßenmanufaktur "Hottpott". Seit Jahren ist sie Baden-Württembergs erste schwarze Stadträtin.
Im schwäbischen Ort Walddorfhäslach hat Njeri Kinyanjui eine Soßenmanufaktur aufgebaut: "Besonders an den Tagen, an denen wir die Soßen kochen, riecht es und die Nachbarschaft weiß, dass etwas im Topf ist."

Mariage in einem heißen Topf

Kinynjui kocht nach ostafrikanischer Art in sogenannten Hot Pots: In einem heißen Topf verschmelzen verschiedene Zutaten, afrikanischer, indischer und internationaler Konvenienz, zu einer verführerischen "Mariage". Es entsteht etwas Neues.
"Im Ort riecht es, wenn wir kochen, nach Gewürzen, nach Knoblauch, Früchten, Linsen und Chilischoten", erzählt Kinyanjui. Manche der Rezepte sind aus der Familie, andere sind von Reisen mitgebracht oder wurzeln in der Vielfalt der Kulturen Ostafrikas.
Kinyanjui ist als junge Frau zum Studieren nach Deutschland gekommen und wegen der Liebe zu ihrem Ehemann geblieben. Obwohl sie seit Jahrzehnten in Reutlingen lebt, sich selbstständig gemacht hat und Stadträtin ist, ist sie ihrer Heimat Nairobi eng verbunden.
Auch ihren Kindern, die echte Reutlinger sind, hat diese Liebe zu Kenia vermittelt. "Wenn ich Nairobi besuche, habe ich das Gefühl, dass ich wieder zu Hause bin. Kein Mensch guckt mich an, ich bin einfach da und gehöre dazu."

Expertin für Wirtschaft und Migration

Eine Selbstverständlichkeit, die sie in Deutschland bis heute vermisst. "Ich falle immer noch auf, jeder, der in Deutschland anders aussieht, fällt auf. Das ist etwas, dass ich in Kenia nie spüre. Hier dagegen gucken die Leute. Auch wenn sie nicht gucken, weiß ich, dass sie gucken."
Sie wurde zur Stadträtin gewählt und ist zuständig für Wirtschaft und Finanzen: "Was ich mitbringe als Volkswirtin, kann ich hier besonders gut einbringen." Reutlingen hat 115.000 Einwohner: "Momentan stricken wir mit Hochdruck am Haushalt für 2022." Als Parteilose ist sie von den Grünen entsandt, wird aber nun auch Mitglied: "Wir brauchen Frauen in der Partei."

Wir schaffen das

Zu Kinyanjuis selbst gewählten Aufgaben gehört es zudem, Migranten praktische Hilfe zu geben und ihnen Mut zu machen, Fuß zu fassen. "Ich versuche, ihnen klar zu machen, dass sie ihre Träume hier verwirklichen können."
Dass zum Leben in Deutschland für manche Menschen leider auch tägliche Rassismuserfahrungen gehören, ist für Njeri Kinyanjui eine traurige Realität: "Es gibt leider immer noch Leute, die es einfach nicht besser wissen und keine Erfahrungen mit fremden Kulturen haben." Manchmal helfe nur, darauf zu hoffen, dass die Zeit die Wunden heilt.
Aber wo Schatten ist, ist auch Licht. Sie arbeitet an der Vernetzung der afrikanischstämmigen Community und beruft sich gern auf die Worte der scheidenden Bundeskanzlerin Angela Merkel von 2015, als diese mit Blick auf die Integration von Geflüchteten sagte, "wir schaffen das": "Ich wünschte nur, dass sie diese Worte früher ausgesprochen hätte. Aber lieber spät als gar nicht."
(AB)
Mehr zum Thema