Unionsvorstoß zu Islamverbänden

"Nicht der richtige Zeitpunkt"

06:21 Minuten
Ein älterer Mann mit grauen Haaren und grauem Bart im grauen Anzug spricht während einer Konferenz in ein Mikrofon
Es gebe jahrzehntelange Versäumnisse im Umgang mit Muslimen, sagt Stephan Kramer, Präsident des thüringischen Verfassungsschutzes. © imago / Karina Hessland
Stephan Kramer im Gespräch mit Stephan Karkowsky · 14.04.2021
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Unionsabgeordnete fordern: Keine Zusammenarbeit mit muslimischen Verbänden, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Thüringens Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer kritisiert das als Versuch, Wählerstimmen vom rechten Rand zu gewinnen.
"Unsensibel" findet es Thüringens Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer, dass Unionsabgeordnete ausgerechnet zum Start des Ramadan fordern, die Zusammenarbeit mit muslimischen Verbänden einzustellen, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden.
"Jetzt ist, glaube ich, nicht der richtige Zeitpunkt, mit so einer Nachricht noch mal extra an die Öffentlichkeit zu gehen", sagt Kramer in Bezug auf das Papier, das in den kommenden Tagen von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion beschlossen werden soll.

Versuch, am rechten Rand "Stimmen zu generieren"

Da die Forderung der Unionspolitiker nicht neu ist, sieht der thüringische Verfassungsschutzpräsident sie auch als Wahlkampfmanöver: Hier werde versucht, am rechten Rand "Stimmen zu generieren".
In der Sache hält Kramer den Vorstoß allerdings für grundsätzlich richtig, auch die Tatsache, dass dabei der Zentralrat der Muslime ins Visier genommen wird. Denn dort gebe es "kritische Teile und Personen", betont er und mahnt:
"Ich denke, man muss sich als Zentralrat auch anschauen, wen man als Partner in diesen Zentralrat versucht zu integrieren. Das ist schwierig, das ist ein Drahtseilakt, weil man natürlich auch Teile der muslimischen Gemeinschaft nicht verprellen und außen vor lassen will. Aber die Integration darf nicht um den Preis gehen, dass man dort auch Extremisten innerhalb der eigenen Reihen duldet."

Jahrzehntelange Versäumnisse im Umgang mit Muslimen

Dass es bisher notwendig war, auch mit unter Extremismusverdacht stehenden Personen oder Verbänden zusammenzuarbeiten, liegt auch an einem Versäumnis der Politik, kritisiert der thüringische Verfassungsschutzpräsident. Denn die habe sich seit vielen Jahren nicht genug darum gekümmert, deutsche muslimische Strukturen zu fördern und aufzubauen.
"Und das rächt sich heute", sagt Stephan Kramer. "Deswegen ist mir auch die Forderung, einfach Schluss zu machen, zu einfach. Man muss auf der anderen Seite auch Angebote machen, wie denn die Zusammenarbeit mit den immerhin fünf Millionen Muslimen in Deutschland tatsächlich in der Zukunft aussieht."
(uko)
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