Unfreiwilliger Täter

Von Susanne Burkhardt |
Der Dramatiker Philipp Löhle inszeniert gelegentlich gern die Stücke anderer, so wie derzeit Alexander Moltschanows Kammerspiel "Mörder". Darin versucht ein junger Mann, irgendwie seine Schulden zu begleichen - und findet die Liebe.
Macht es einen Unterschied, ob man einen Mord begeht oder nicht, wenn man ihn längst im Kopf begangen hat? Diese Frage quält den jungen Andrej in Alexander Moltschanows Stück "Mörder". Der schüchterne Student schuldet dem miesen Seka nach einem verlorenen Kartenspiel Geld, das er nicht hat. Als Wiedergutmachung soll er in den Nachbarort fahren und die Schulden von Maronow eintreiben – zur Not mit Gewalt, auch ein Mord wird nicht ausgeschlossen. Damit Andrej danach nicht mit dem Geld abhaut, schickt Seka seine Freundin Oksana mit. Aus der anfänglichen Zwangsgemeinschaft entspinnt sich auf der Fahrt eine Liebesgeschichte. Später taucht Andrejs Mutter auf und ein Mord passiert - aber anders als ursprünglich geplant.

"Der Mörder" erinnert ein bisschen an Raskolnikow in Dostojewskis "Schuld und Sühne" – jenem Studenten, der zum Mörder wird und letztlich daran zerbricht. Moltschanow erzählt von seinem Mörder in Form eines raffinierten Roadmovies, witzig und unmittelbar, aus verschiedenen Perspektiven. Der Zuschauer ist den handelnden Figuren voraus, denn er kennt ihre geheimen Gedanken und Gefühle.

In Russland, wo "Mörder" uraufgeführt wurde, ist das Stück des 39-jährigen Dramatikers ein Riesenerfolg, vielleicht auch weil so viele junge Leute sich in den Protagonisten wieder erkennen. Nur vier Tage schrieb der Journalist und Drehbuchautor Moltschanow an seinem Kammerspiel. Erstmals in Deutschland konnte man dem Text 2011 beim FIND-Festival in Berlin begegnen – in einer szenischen Lesung. Im vergangenen Jahr dann gastierte die Moskauer Version beim Festival "Neue Stücke aus Europa 2012" in Wiesbaden. Die unverschnörkelte Inszenierung von Dmitri Jegorow räumte sofort den Publikumspreis ab und – so die Kritik damals – sei eine "Herausforderung für jeden folgenden Regisseur", der sich Alexander Moltschanows "Mörder" vornehme.
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