Unfreiheit und Unterdrückung

Wie muslimische Familien mit den Traditionen kämpfen

54:00 Minuten
Eine Familie steht vor einem Reihenhaus. (v.l.) Großvater, Vater, Sohn, Tochter, Mutter.
"Was in der Verfassung steht, was eine Familie sein soll, das muss ich doch als Gesellschaft auch verlangen und einfordern", sagt Soziologin Necla Kelek. © imago images / Belga
Moderation: Christian Rabhansl · 08.02.2020
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Wie steht es um Grundrechte und Gleichberechtigung von Jungen und Mädchen in konservativen muslimischen Familien in Deutschland? Eine Frage, heftig diskutiert von Erziehungswissenschaftler Ahmet Toprak, Soziologin Necla Kelek und Journalist Jens Dirksen.
Über Kindererziehung und Familie lässt sich trefflich streiten. Und das taten der Erziehungswissenschaftler Ahmet Toprak, die Soziologin Necla Kelek und der Journalist Jens Dirksen bei einer Podiumsdiskussion im Grillo Theater in Essen. Toprak und Kelek haben sich in ihren Büchern mit muslimischer Erziehung beschäftigt und diskutierten lebhaft über Fragen der Kindererziehung in traditionellen muslimischen Familien, die in Deutschland leben.
Dabei ging es auch darum, was passiert, wenn das deutsche Grundgesetz, die Vorstellung von Gleichberechtigung und Freiheit, auf konservative muslimische Familienvorstellungen trifft.

Pochen auf die Grundrechte

Necla Kelek, die Soziologin und Frauenrechtlerin beschreibt in ihrem Buch "Die unheilige Familie. Wie die islamische Tradition Frauen und Kinder entrechtet" das "Gefängnis" in dem sich Frauen bewegen müssen, die aus solchen Familien kommen. Kelek pocht auf die Einhaltung der Grundrechte auch für muslimische Frauen.
"In diesem Land darf man Kinder nicht Zwangsverheiraten. Man darf sie nicht als Sklaven behalten. Das geht hier bei uns nicht", sagte Nelek. Leitkultur müsse auch angewendet werden. "Das heißt: Was in der Verfassung steht, was eine Familie sein soll, das muss ich doch als Gesellschaft auch verlangen und einfordern."

Einiges im Argen bei der Erziehung?

Die Folgen der Erziehung für Jungen dieser konservativen muslimischen Familien beschreibt Ahmet Toprak in seinem Buch "Muslimisch, männlich, desintegriert. Was bei der Erziehung muslimischer Jungen schiefläuft". Er schildert unter anderem die Folgen am Beispiel der Schulkarrieren von Jungen aus solchen Familien.
Toprak erzählte auch von seinen eigenen Erfahrungen. "Meine Eltern haben auf ein paar Dinge Wert gelegt. Auf gar keinem Fall wird Gewalt anwenden", sagte er. Zudem seien alle Geschwister gleich behandelt worden. "Ob Junge oder Mädchen spielt überhaupt keine Rolle. Wenn im Haushalt geholfen wird , wird geholfen, unabhängig vom Geschlecht."
Mitdiskutant Jens Dirksen, Redakteur bei der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung", sieht allerdings einiges im Argen bei der Erziehung. "Diese Leitbilder, die vermittelt werden von der Kultur, sind fatal, die führen ja auch dazu, dass zum Beispiel die Jungs zu regelrechten Prinzen erzogen werden. Die glauben, dass ihnen bestimmt Dinge einfach zustehen und sie dafür nichts leisten müssen."

Necla Kelek: "Die unheilige Familie. Wie die islamische Tradition Frauen und Kinder entrechtet"
Droemer, München 2019
336 Seiten, 19,99 Euro

Ahmet Toprak: "Muslimisch, männlich, desintegriert. Was bei der Erziehung muslimischer Jungen schiefläuft"
Econ, Berlin 2019
240 Seiten, 18 Euro

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