"…und habe Begierden wie ein Mann."

Von Carola Wiemers |
Wenige Tage vor ihrem Tod am 26. Juli 1806 schreibt die 26-jährige Karoline von Günderrode: "…ich fühle, daß meine Zeit aus ist, und daß ich nur fortlebe durch den Irrtum der Natur". Seit ihrem 17. Lebensjahr fristet die aus einem verarmten Adel stammende Dichterin im Frankfurter evangelischen Damenstift ein kontrolliertes Dasein.
Doch setzt sie unter den Pseudonymen "Tian" und "Ion" der erfahrenen sozialen und geistigen Enge stolz ihren dichterischen Anspruch entgegen und drückt in Gedichten und Prosastücken die niedergehaltenen Sehnsüchte und Leidenschaften aus. Schließlich betritt sie mit ihren Dramen ein den dichtenden Männern vorbehaltenes Terrain, entwirft weibliche Heroen und zeigt reges Interesse an einer durch J. G. Fichte und F. W. Schelling inspirierten Naturphilosophie.

Als die Günderrode mit ihrer Liebe zu dem verheirateten Altertumsforscher Friedrich Creuzer gegen die bürgerliche Konvention verstößt, kündigt sie ihr Dasein mit einer selbstbewussten Geste auf und erdolcht sich.