DNA-Analyse

Zoo-Experiment gibt Aufschluss über das Artensterben

06:18 Minuten
Okapi, Waldgiraffe, in einem Außengehege im Zoo in Kopenhagen.
Im Zoo von Kopenhagen haben Biologen Luftfilter auch in den Außengehegen der Okapis aufgestellt. © picture alliance / WILDLIFE/S.Muller
Von Guido Meyer · 15.02.2022
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Jeden Tag verschwinden etwa 150 Tierarten von der Erde. Biologen setzen alles daran, zu wissen, welche Art wo lebt, wie viele Exemplare es davon noch gibt und wohin sie wandern. In zwei Zoos haben Wissenschaftler jetzt einen besonderen Trick angewandt.
Im Hamerton Zoo Park bei Cambridge, da gibt es Esel, Faultiere, Dingos, Meerkatzen, kurz: allerhand Tiere. Die sind bekannt, genauso wie ihre Erbsubstanz, die DNA – ein idealer Ort für ein besonderes Experiment.

„Der Grund, warum wir uns für den Zoo entschieden haben, ist die Tatsache, dass die Tiere dort eine Art Kolonie nicht-heimischer Arten bilden. In einem Zoo kommen sie also nirgendwo anders vor außer in ihren Gehegen. Somit wissen wir genau, welche DNA zu welchem Tier gehört. Wir können sie nicht verwechseln mit anderen Quellen.“

Umherfliegende DNA der Zoo-Tiere

Die Biologin Elizabeth Clare hat im Hamerton Zoo an 20 Orten Filter installiert, um frei umherfliegende DNA der Zoo-Tiere einzufangen. So wie Hänsel und Gretel im Wald, verlieren auch Meerkatze, Dingo & Co. Krümel, wenn sie sich bewegen – nur wesentlich kleinere. Biologen sprechen von Umwelt-DNA oder eDNA. 

„Umwelt-DNA definiert sich im weitesten Sinne als DNA, die nicht direkt von dem Organismus kommt, zu dem sie eigentlich gehört. Stattdessen finden wir sie in toten Hautzellen, im Speichel, im Urin oder in ausgefallenen Haaren. Wir alle, Pflanzen, Menschen, jeder von uns stößt ununterbrochen Erbsubstanz in die Umwelt ab.“

Luftfilter im Regenwaldhaus

Ortswechsel, von England nach Dänemark. 

An drei Stellen im Zoo von Kopenhagen hat das Team rund um Christina Lyngaard ebenfalls Filter aufgestellt. Die Biologin forscht an der Abteilung für evolutionäre Genomforschung der Universität von Kopenhagen. Zunächst standen die Luftfilter in den Käfigen von Okapis und Gürteltieren und dann in deren Außengehegen.“

„Und schließlich haben wir es im Regenwaldhaus versucht. Das ist ein großes Gebäude, in dem sowohl die Temperaturen als auch die Luftfeuchtigkeit höher sind. Zudem ist die Artenvielfalt größer. Hier leben Vögel, einige Säugetiere und auch Schildkröten. Sie sind hier einfach überall.“

Tiere außerhalb des Zoobestands

Nach 30 Stunden haben die Wissenschaftlerinnen die Filter an eine andere Stelle gebracht. Dabei hätten sie gehofft, dass sie in den Auffangmembranen die DNA der Tiere finden, die sie bereits kannten, erklärt Elizabeth Clare. Und genau das gelang - ob drinnen, draußen oder im Tropenhaus. Und dabei blieb es nicht. 

„Wir haben noch mehr gefunden. Wir konnten Erbsubstanz aus dem Fressen einiger Zootiere nachweisen. In der Nähe der Fleischfresser hat sich in unseren Filtern auch Umwelt-DNA aus der Nahrung der Tiere verfangen.“
Lebende Tiere, tote Tiere - in Form von Futter: Das hatten die Biologen soweit erwartet – nicht aber, dass die Auffangmembranen auch das Vorhandensein von Tieren nachweisen, die gar nicht zum Bestand des Zoos gehören. 
„Wir haben Arten nachgewiesen, die irgendwo in der britischen Landschaft vorkommen, wie Eichhörnchen und Igel. Entweder hatte der Wind deren Umwelt-DNA in die Gehege geweht oder die Tiere bewegen sich einfach frei durch den Zoo.“

Das Verfahren funktioniert

Nun wissen die Biologinnen also: Das Verfahren funktioniert. Mit Umwelt-DNA lässt sich feststellen, welche Tiere in einer bestimmten Umgebung vorkommen und wie sie sich bewegen. Und zu diesem Wissen gelangten die Forscherinnen auf wesentlich geschickterem Wege, als das bislang möglich war. 

„Meistens können wir Tiere nur nachweisen, wenn sie zum selben Zeitpunkt am selben Ort waren wie wir. Wenn Sie eine Kamera aufstellen, muss das Tier genau vor der Linse vorbeilaufen, wenn sie eingeschaltet ist. Läuft es hinter ihr, werden Sie es nie erfahren. Umwelt-DNA ist eher wie ein Fußabdruck im Schlamm, den ein Tier hinterlässt. Wir sehen ihn auch noch, wenn das Tier längst wieder weg ist.“

Überprüfung in freier Natur

Nach den Versuchen in den Zoos wollen die Forscherinnen nun wissen: Funktioniert ihre Methode auch außerhalb eines Tierparks, sagt Christina Lyngaard.

„Als nächstes wollen wir damit in die freie Natur und überprüfen, ob dieses Verfahren in einem Wald oder im Dschungel funktioniert. Wir möchten unterschiedliche Ökosysteme mit größtmöglicher Artenvielfalt ausprobieren.“

Es ist einfach, Umwelt-DNA von Tieren nachzuweisen, von denen man weiß, dass sie da sind. Interessant wäre es aber, die Existenz von Tieren in einem Habitat zu bestätigen, deren Vorkommen bislang nicht gesichert gewesen sei, findet Elizabeth Clare.  

„Einige Arten sind sehr scheu. Wir können uns ihnen nicht nähern. Oder sie sind so selten, dass wir sie kaum sichten. Ihre Umwelt-DNA wird uns aber dann verraten, dass sie da sind.“

Und gerade bei bedrohten Arten könnten solche Nachweise in Zukunft eine wichtige Rolle spielen.
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