Umstrittenes Kunstwerk von Jeff Koons

Tulpen für Paris

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Jeff Koons Skulptur "Bouquet of Tulips": Eine riesige ausgestreckte Hand, die mehrere Tulpen überreicht.
Die Initiative für diese Skulptur im Gedenken an die Opfer der Anschläge von 2016 ging von der US-amerikanischen Botschafterin in Frankreich, Jane Hartley, aus. © Getty / Thierry Chesnot
Von Jürgen König · 04.10.2019
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Selten hat ein Strauß Tulpen für so viel Wirbel gesorgt wie der von Jeff Koons. Seine Skulptur zum Gedenken an die Anschlagsopfer von Paris wurde nun enthüllt. Bürgermeisterin Hidalgo ist sich sicher, dieses Projekt werde seinen Weg in die Herzen finden.
Die Kontroverse ist vorbei. Nun steht er da, der "Tulpenstrauß" des Jeff Koons. Im Garten des Petit Palais, zwischen den Champs-Élysées und der Seine steht er auf einem Kalksteinsockel - gehalten von einer Hand ist er über zwölf Meter hoch, mehr als acht Meter breit, mehr als zehn Meter tief. Aus Aluminium und rostfreiem Stahl gebaut wiegt er fast 34 Tonnen. Elf Tulpen sind es, eine fehlt zum Dutzend – diese Leerstelle macht für Jeff Koons den Kern des Werks aus:
"Mein ‚Blumenstrauß‘ ist ein Symbol des Gebens, repräsentiert durch die ausgestreckte Hand, die mehrere Tulpen überreicht. Die Blumen repräsentieren die stets neue Vitalität des menschlichen Geistes. Aber eben auch einen Verlust. Der Strauß hat nur elf Blumen, die fehlende zwölfte wird immer den Verlust repräsentieren, den die Pariser Terroranschläge hinterlassen haben."

Anfängliche Skepsis der Opferverbände

Diesem Anspruch, mit seinem Werk an die Opfer der Anschläge von 2016 erinnern zu wollen, standen viele Vertreter der Opferverbände lange Zeit mehr als skeptisch gegenüber, zumal sie an den Planungen nicht beteiligt wurden. In Kritiken und Polemiken hatten Journalisten und Kolumnisten Jeff Koons vorgeworfen, mit seinem Werk nur Selbstvermarktung zu betreiben, auch, weil er das "Bouquet of Tulips" zunächst in der Nähe des Eiffelturms aufstellen wollte – wo mit Abstand die meisten Paris-Touristen zusammenkommen.
In einem Interview mit dem "Figaro" hat Jeff Koons die entstandene Debatte jetzt bedauert. Er betonte, mit der Skulptur keine finanziellen Interessen zu verfolgen: Die Verwertungsrechte habe er den Opferverbänden und der Pariser Stadtverwaltung überlassen. Bei der kurzen Feierstunde vor der Enthüllung des Kunstwerks gaben sich alle Beteiligten erkennbar Mühe, dessen tatsächliche Entstehungsgeschichte noch einmal in Erinnerung zu rufen. Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo erklärte:

"Ich weiß noch, wie ich mich in diesen schrecklichen Momenten nach den Anschlägen gefragt habe, wie ich als Bürgermeisterin dazu beitragen kann, dass wir, die wir so schwer getroffen wurden, gemeinsam wieder aufstehen können. Und ich kam schnell auf die Kunst: Sie geht Wege, mit denen nicht ersetzt wird, was fehlt, die aber doch in die Zukunft weisen."

Die Initiative ging von der US-Botschafterin aus

Die entscheidende Initiative ging von der früheren US-Botschafterin in Frankreich, Jane Hartley, aus:
"Als Botschafterin war ich bewegt, zu erleben, dass nach den Terroranschlägen Millionen US-Bürger ihre Anteilnahme für das französische Volk ausdrückten, das diese furchtbare Zeit so tapfer und bewunderungswürdig durchstand. Ich wollte diese amerikanische Anteilnahme sichtbar machen und ich wollte auch Frankreich etwas zurückgeben."
Jane Hartley war es auch, die Jeff Koons ins Gespräch brachte und dann begann, Geldgeber für das Projekt zu suchen. Finanziert wurde es allein aus Spendengeldern - von Unternehmen und Einzelpersonen vor allem aus den USA, aber auch aus Frankreich. Anne Hidalgo, die Pariser Bürgermeisterin, dankte allen Beteiligten mit ausführlichen Worten und fand für den Streit rund um den "Tulpenstrauß" eine Art diplomatische Einfriedung:
"Ein solches Geschenk unserer amerikanischen Freunde – es ist für mich ein starkes Zeichen. Aber wir sind in Paris! Paris liebt die Freiheit, die Kunst, liebt leidenschaftlich auch die Kontroverse! Und so ist auch dieses Projekt den Weg gegangen, den alle großen Projekte hier durchlaufen mussten, vom Eiffelturm bis zur Pyramide des Louvre. Projekte, die alle äußerst umstritten waren und doch längst eine Spur in unseren Herzen hinterlassen haben und die sich an zukünftige Generationen wenden."
Doch auch schon die heutigen Generationen werden ihre Freude haben: Als Hintergrund für Selfies gilt der "Tulpenstrauß" des Jeff Koons schon jetzt als grandios.
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