Umstrittene Hilfe

Was machen Arztassistenten?

Operation in einem Krankenhaus
Physician Assistants arbeiten mehr den Ärzten zu und weniger dem Pflegepersonal. © imago / Manfred Weis
Von Nele Rößler · 25.06.2018
Im Ausland, vor allem in den USA und den Niederlanden, gibt es sie schon lange: Arztassistenten, die Ärzte entlasten. Obwohl es bis jetzt nur rund 200 Absolventen gibt, wird über die Physician Assistant bereits debattiert.
Katrin Klünner steht im Operationssaal des Berliner Herzzentrum.
"Ich schließ den im Saal jetzt hier an die Geräte an, die zur Vorbereitung wichtig sind."
Sie bereitet einen Patienten für eine Bypass Operation vor. Bei dieser OP werden Kreisläufe zur Umgehung von verengten Gefäßabschnitten angelegt.
"Und dann desinfizier ich den Patienten und decke ihn mit der OP Schwester zusammen steril ab. Und dann kommt auch schon der Operateur, den habe ich jetzt angerufen."
Die 46-Jährige Katrin Klünner ist Physician Assistant. Das heißt übersetzt so viel wie Arztassistent. Während der Operation übernimmt Katrin Klünner die Rolle des chirurgischen Assistenten:
"Ich arbeite mit ihm zusammen die einzelnen Schritte ab, ich sauge was ab, was mache ich eigentlich den ganzen Tag? Ich halte den Faden, ich schneide den Faden ab, ich stelle den Situs."
Also sie öffnet dem Chirurgen den Bereich, in dem er operiert. Später während der OP entnimmt Katrin Klünner dem Patientin noch eine Vene am Bein, die an Stelle der verengten Blutgefäße am Herzen eingesetzt werden.
Zwischen Katrin Klünner und dem Arzt, dem sie zuarbeitet, funktioniert es gut.
"Die ist toll. Wenn man die Richtige hat, ist es wunderbar."
Der leitende Oberarzt Professor Christoph Stark, ebenfalls vom Herzzentrum Berlin, kennt das Prinzip des Physician Assistant bereits aus den USA . Dort hat er gute Erfahrungen damit gemacht. Hier am Herzzentrum in Berlin bestätige sich das. Die Tätigkeiten der Ärzte würde durch die Arbeit der Physician Assistants ergänzt.
"Das können wir hier absolut sehen. Und das führt zu einer Entlastung der entsprechenden Assistenzärzte, die sich dann um andere Tätigkeiten viel besser kümmern können und ihre Facharztausbildung ganz anders forcieren können."

Physician Assistants arbeiten den Ärzten zu

Momentan gibt es erst um die 200 Physician Assistants in Deutschland. Stark denkt aber, dass sich das ändern wird.
"Wenn man das eben auch entsprechend vor dem Hintergrund einsetzt, dass es eine Entlastung des Arztdienstes ist, denke ich, dass es auch in vielen Kliniken Fuß fassen wird."
Physician Assistants arbeiten mehr den Ärzten zu und weniger dem Pflegepersonal. Den Abschluss bekommt man durch einen Bachelor-Studiengang an sieben Hochschulen in Deutschland. Die meisten sind privat und nehmen Studiengebühren. Viele Arbeitgeber übernehmen sie aber für die Studierenden.
Frank Merkle ist Direktor an der Steinbeis Hochschule in Berlin, die den Studiengang anbietet – mit Fächern wie Anatomie, Physiologie oder Hygiene.
"Nebenbei gibt es aber auch übergreifende Kenntnisse die vermittelt werden, zum Beispiel zu Betriebswirtschaft, zu Abrechnung, zu Qualitätsmanagement und allgemeine technische und naturwissenschaftliche Grundlagen."
Die Interessierten kommen zumeist aus Pflege- und Gesundheitsberufen – und studieren dann nochmal. Das ist zeitaufwendig und anstrengend.
Nach dem Ende des Studiums gibt es aber ein Problem: es ist nicht klar festgelegt, was die Physician Assistants machen dürfen. Denn PA´s – wie es abgekürzt heißt – ist kein Berufsbild, sondern eine Zusatzqualifikation.
"Es gibt da keine neue Rechtsordnung", sagt Frank Merkle.
"Es gibt einige Aufgaben, die dem Arztvorbehalt unterliegen, das heißt, nicht delegiert werden dürfen."
Zum Beispiel das Stellen einer Diagnose, die Aufklärung der Patienten oder die Festlegung der Therapie. Delegieren heißt zwar weitergeben, aber die Verantwortung liegt in den Fällen immer beim Arzt.
"Ansonsten entscheidet ja der Chefarzt einer Klinik, welche Aufgaben delegiert werden dürfen oder können. Das hat einmal mit dem Risiko für die Patienten zu tun, das heißt, die risikobehafteten Aufgaben dürfen nicht ohne weiteres übertragen werden. Aber auch mit der individuellen Kompetenz."

Kritik vom Ärzteverband Marburger Bund

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat 2017 ein Papier zum Physician Assistant veröffentlicht. Unter dem Punkt Tätigkeitsrahmen steht zum Beispiel: Das Mitwirken bei der Diagnose-Erstellung sowie das Mitwirken bei der Erstellung des Behandlungsplans. Das Mitwirken bei komplexen Untersuchungen, bei Eingriffen sowie bei Notfallbehandlungen und bei medizinisch-technischen Tätigkeiten. Das sei zu schwammig formuliert, kritisiert der Ärzteverband Marburger Bund.
"Der große Nachteil des Physician Assistent ist, dass die genaue Definition der Tätigkeit aktuell nicht vorliegt."
Sagt Peter Bobbert, Landesvorsitzende für Berlin und Brandenburg:
"Prozessmanagement, Dokumentationsmanagement vom Arzt zu übernehmen, dagegen wird keiner sprechen. Patientennahe Tätigkeiten zu übernehmen, Untersuchungen auch kleinere Eingriffe, da ist die Frage natürlich, was darf ein Physician Assistant und was muss primär von einem Arzt aufgeführt werden."
Manche Ärzte haben Angst, dass Krankenhäuser eher Physician Assistants als Ärzte einstellen, weil sie günstiger sind als richtige Ärzte. Manche sind auch besorgt, dass PAs irgendwann Aufgaben von richtigen Ärzten übernehmen wollen. Thomas Karbe, Dozent an der Steinbeis Hochschule, sagt dazu:
"Das ist immer so die Angst. Die Angst der berufsständigen Organisationen, dann könnte den Ärzten Leid produziert werden, oder die würden vielleicht später so noch als Mediziner arbeiten wollen, das ist deswegen unbegründet, es ist keine vollständige Medizinerausbildung und das ist mit Absicht auch nicht so tituliert. Sondern es ist eine Ausbildung, ein Studiengang auf Bachelorniveau, der gar nicht die gleiche Bandbreite hat."

Arztassistenten sehen manche als Lösung vieler Probleme

Die Dozenten der Steinbeis-Hochschule sehen im Physician Assistant die Lösung vieler Probleme. Zum Beispiel könnten sie nach dem Studienabschluss auf dem Land arbeiten und dort die Bevölkerung in Absprache mit Ärzten versorgen. Dafür müsste es aber noch viel mehr Physician Assistants geben. Denn bis jetzt haben erst rund 200 Studierende den Bachelorstudiengang abgeschlossen.
Und wie sieht man das auf der Seite der Pflegekräfte?
"Wir beobachten das Thema schon seit einigen Jahren," sagt Johanna Knüppel vom Berufsverband für Pflegeberufe.
"Aber es gab keinen Grund, für uns zu reagieren, weil die Zahl der Physician Assistants nach wie vor sehr gering ist."
Geärgert hat sich der Berufsverband dann aber doch. Und das wegen einer Formulierung im Beschlussprotokoll des Deutschen Ärztetages im Frühjahr 2017. In dem steht, dass das Berufsbild des Physisican Assistants für "Perspektiven für die Berufsentwicklung" bietet.

Beruf ohne Möglichkeiten, sich weiterzuentwickeln

Johanna Knüppel sieht das anders. Die Ärzte würden profitieren, denn sie könnten zeitaufwendige Routineaufgaben abgeben. Aber für die Physician Assistants sieht sie diese berufliche Entwicklung als Sackgasse:
"Dieser Physician Assistant hat keinerlei Weiterentwicklungsmöglichkeiten, der wird nie in der Hierarchie der Ärzte aufsteigen können, der wird immer an seinem Posten bleiben müssen, es sei denn, er wechselt den Beruf wieder. Denn er hat ja kein Medizinstudium absolviert."
Aber warum wollen ausgebildete Pflegekräfte dann doch Physician Assistance studieren? Wie viel mehr sie später verdienen, ist nirgends festgelegt. Die Angaben sind sehr unterschiedlich. Manche sagen: kaum mehr. Andere sagen: bis zu 15.000 Euro mehr pro Jahr. Aber eine Gehaltsverbesserung sei für viele auch gar nicht die Motivation mit dem Studium anzufangen, sagen die Dozenten der Steinbeis-Universität. Die meisten Studierenden würden neue Herausforderungen suchen.
Die 26-Jährige Physiotherapeutin Luca Gerlach hat gerade mit dem Studium Physician Assistance begonnen. Bei ihr im Krankenhaus hat eine Kollegin bereits diesen Abschluss und führt vom Arzt übertragene Ausgaben aus.
"Deswegen habe ich mich dafür entschieden den Studiengang zu machen, um halt im ärztlichen Dienst tätig sein zu dürfen."
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