Umstrittene Gebäude

21.05.2013
Für die einen sind sie pittoreske Gebäude, für die anderen ein Ärgernis: die Pavillons der Biennale von Venedig. Die Architekten Diener&Diener rücken in dem von ihnen herausgegebenen Fotoband mit Bildern von Gabriele Basilico deren Architektur wieder in den Vordergrund.
Relikte eines überlebten Nationalismus oder Puppenstube der Globalisierung? Alle zwei Jahre, pünktlich zur Kunst-Biennale, entbrennt in Venedig der Streit um die sogenannten Pavillons. Für die einen sind die pittoresken Gebäude in den Giardini ein Ärgernis. Für die anderen sind sie unverzichtbares Markenzeichen der ältesten Biennale der Welt im Konkurrenzkampf der mittlerweile fast 150 Biennalen.

Den Streit um die markanten Gebäude entscheiden will der Fotoband "Common Pavilions” nicht, den die Schweizer Architekten Diener&Diener herausgegeben haben. Vielmehr wollen sie mit der Dokumentation einer Ausstellung, die vergangenen Sommer auf der Architektur-Biennale stattfand, wieder ins Bewusstsein rücken, was im Besichtigungstrubel meist in den Hintergrund rückt: die Architektur der Pavillons selbst.

Trotz des Großformats und der aufwändigen Ausstattung ist der Band alles andere als ein Coffeetable-Book. Denn der nüchtern dokumentarische Stil der Schwarzweiß-Aufnahmen des italienischen Fotografen Gabriele Basilico verklärt das architektonische Sammelsurium nicht, das in den letzten 120 Jahren dort errichtet wurde, sondern lädt zur Reflexion ein – gerade weil auf den Aufnahmen keine Menschen, sondern nur die Gebäude zu sehen sind. Das Foto der prächtigen, neo-byzantinischen Fassade des griechischen Pavillons von 1934 etwa evoziert automatisch die Frage nach der Idee hinter dem Bauwerk.

Wie wenig im Umgang mit den Pavillons Stereotype taugen, zeigen die 30 Essays, die Kunsthistoriker, Schriftsteller und Künstler zu ihren jeweiligen Heimat-Pavillons beigesteuert haben. Für den spanischen Architekturprofessor Eduard Bru symbolisiert der 1922 errichtete und 1952 renovierte Backsteinbau Spaniens einen Kompromiss zwischen Tradition und Avantgarde. Der belgische Kunsttheoretiker Bart Verschaffel zeichnet die verschiedenen Renovierungen des 1907, als erstem Pavillon errichteten Hauses nach: von einem Art-Deco-Tempel für die Kunst über einen solchen für die Nation bis zum neutralen White-Cube von heute.

Trotzdem sind die Experten über die Frage gespalten, ob das Modell Pavillon noch eine Zukunft als Ausstellungsdisplay hat. Für den polnischen Kunsthistoriker Adam Szymczyk taugt es nur noch, um es "mit polemischem Inhalt füllen”. Die serbische Architektin Milica Topalovic dagegen hält es für ein lohnendes "Instrument zur Auseinandersetzung mit Konzepten von Identität”.

"Common Ground” – mit dem Titel der Architektur-Biennale wollte David Chipperfield, ihr Kurator, der Welt demonstrieren, dass sein Berufsstand mehr ist als ein Haufen egozentrischer Individualisten, die nur sich selbst ein Denkmal setzen wollen. Diener&Diener’s und Basilicos eindrucksvolle Bestandaufnahme erinnert aber an noch eine schöne Nebenwirkung des surrealen Weltparks in den Giardini. Auch wenn ihre Architektur dem Geist des Wettstreits der Nationen entstammt. Heute geben sie das Terrain für eine gemeinschaftsbildende Anstrengung ab: die Aneignung von Kunst.

Besprochen von Ingo Arend

Common Pavilions. Die Länderpavillons von Venedig,
aufgenommen von Gabriele Basilico

Kommentiert mit Essays in den Landessprachen: Ein Rundgang durch die Giardini in Buchform
Scheidegger&Spiess, Zürich 2013
328 Seiten, 58 Euro
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