Umbau der Ungarischen Akademie der Wissenschaften

Angriff auf die Freiheit der Wissenschaft?

08:55 Minuten
Eine Demonstrantin vor der Akademie der Wissenschaften in Budapest hält ein Schild mit der Aufschrift "Grand Theft Akadémia"
Bereits im Juni 2018 gab es Proteste gegen die Pläne der Orbán-Regierung für die Akademie der Wissenschaften in Budapest. © imago / Martin Fejer / Est&Ost
Wilhelm Droste im Gespräch mit Vladimir Balzer · 25.02.2019
Audio herunterladen
Die Regierung Orbán will die Ungarische Akademie der Wissenschaften in eine Stiftung überführen. Kritiker sehen die Autonomie der Akademie in Gefahr. Bereits jetzt wird seitens der Regierung ein Großteil der Gelder zurückgehalten.
Die Regierung Orbán will Eigentum und Betrieb der Ungarischen Akademie der Wissenschaften in eine Stiftung überführen und stellt für den Fall mehr Fördergelder in Aussicht. Doch durch den Verzicht auf Autonomie wäre die Freiheit von Forschung und Lehre nicht mehr garantiert, da der Staat diese Stiftung dann dirigieren könnte.
Momentan hält der Staat Gelder zurück, was schon jetzt zu einem beträchtlichen Schaden für die Akademie führt, sagt der Germanist Wilhelm Droste, da nur noch die Gehälter der 3.000 Angestellten bezahlt, aber keine Kosten für Miete, Strom und Gas mehr übernommen würden.
Droste war 30 Jahre als Germanist an der Universität Budapest tätig und betreibt mittlerweile ein Literatur-Café in der ungarischen Hauptstadt.

Es geht um Zentralisierung

Die Rückhaltung der Gelder wird offiziell mit dem Argument gerechtfertigt, die Akademie effizienter zu machen. Doch wie stark könne man Wissenschaft an Effizienz binden, fragt Droste. Auf Grundlagenforschung sei diese Effizienzforderung jedenfalls genau so wenig übertragbar wie auf die Geisteswissenschaften.
"Hier geht es um eine Zentralisierung und das ist typisch für Orbán. Alles möchte er in die eigene Hand bekommen."

Auch von konservativer Seite gibt es Widerstand

Es gehe nicht nur um Teile des Budgets. "Es läuft darauf hinaus, dass die ganze Akademie ihr Eigentum und ihr Geld verliert." Nach einer Überführung in eine Stiftung, die der Staat mehrheitlich kontrollieren würde, könnte "im Grunde genommen der Staat den gesamten Wissenschaftsbetrieb politisch steuern. Und eben auch sehr viele Leute, die man nicht mag, kann man dadurch dann aussondern, weil man die Verfügungsgewalt über die Gelder hat."
Doch Droste berichtet von beträchtlichem Widerstand, auch von konservativer Seite. In der Akademie träfen sich Freunde wie Feinde Orbáns und zögen gemeinsam an einem Strang. Auch die vorsichtigeren Leute seien tapfer und zeigten Zivilcourage.

Gibt es vielleicht doch einen Kompromiss?

Dennoch verstärke sich "eine gewisse Angst, dass man im Risiko steht, wenn man nicht gefällig ist, nicht gehorsam ist, dass man dann rauskippt und seine eigene akademische Karriere zerstört".
Es gebe ohnehin schon einen einen enormen Exodus nach Wien und Berlin. Dieser könnte sich aber noch verstärken, "wenn die Akademie es nicht schafft, sich selber zu retten".
Morgen werde sich entscheiden, ob die Akademie ihre Autonomie behalten kann, denn dann wird ein Bericht über die Verhandlungen wischen dem zuständigen Minister und dem Direktor der Akademie erwartet:
"Es könnte den Kompromiss geben, dass die Akademie die Garantie bekommt, die Steuerung über sich selbst zu behalten."
Mehr zum Thema