"Die entscheidende Erkenntnis im Gegensatz zu allem, was uns die heutige Welt glauben machen will, ist, dass die Welt real existiert."
Ulf Danielsson: „Die Welt an sich“
© Klett-Cotta
Wie wir unseren Platz in der Welt finden
05:43 Minuten
Ulf Danielsson
Übersetzt von Susanne Dahmann
Die Welt an sich. Und wie wir sie begreifen könnenKlett-Cotta, Stuttgart 2022240 Seiten
25,00 Euro
Quanteneffekte, schwarze Löcher und Zeitparadoxa sind Alltag für den schwedischen Stringtheoretiker Ulf Danielsson. Mit seinem Buch will er dem Menschen seinen Platz in den Naturwissenschaften aufzeigen - jenseits aller Theorien und Formeln.
Anstoß für Ulf Danielssons Essay war der Brief einer Frau, die von der Vorstellung eines Multiversums mit unzähligen Varianten ihrer Person tief verunsichert wurde. Der Physiker versucht sie damit zu beruhigen, dass seiner Ansicht nach das Multiversum nur ein Modell ist, das helfen soll, die Wirklichkeit zu verstehen. Es ist eine Theorie und eben nicht die Wirklichkeit selbst.
Objektivität gibt es nicht
Er widerspricht damit Gelehrten wie Platon, die die Welt vereinfacht für einen Abklatsch einer Sphäre reiner Ideen wie der Mathematik halten. Für Danielsson ist das eine Illusion, denn auch Mathematik „geht immer durch ein Gehirn aus Fleisch und Blut“.
Wer also versucht, objektiv zu sein, hat immer eine Perspektive für seine Erkenntnis. Von da an sei der Schritt nicht weit, so der Autor, auch andere Perspektiven ernst zu nehmen. Die von Tieren etwa oder die eines Waldes. Beide könnten nach Danielsson eine eigene Art von Weltwissen besitzen.
Und doch müssen all diese Perspektiven unvollständig bleiben, weil sie Teil der Welt sind, die sie zu beschreiben versuchen. Selbst die gut belegte Quanten- und die Relativitätstheorie bleiben so nur Annäherungen.
„Wenn ich mich als Physiker bezeichne, dann habe ich das immer im Kopf, und wenn es ein Dilemma gibt, dann lebe ich fröhlich damit.“
Von Kraken und Multiversen
Und so eröffnet der Schwede interessante Blickwinkel auf die Welt. Es geht um das Multiversum, Quantenparadoxa, Kraken, die Vorstellung, wir lebten in einer Simulation (Spoiler: Tun wir nicht!) und die Möglichkeit, in Zukunft den menschlichen Geist auf einen Computer hochzuladen. Aus letzterem würde nichts, denn ein Computer kenne nur Daten. Bedeutung gewinnen die aber erst, wenn sich ein Mensch mit ihnen auseinandersetzt.
Warum aber sollte das menschliche Bewusstsein so besonders sein? Hier wird Danielsson schwammig, verweist auf künftige Fortschritte der Physik wie etwa auf die sogenannte „starke Emergenz“, was im Grunde heißt: Das Ganze ist mehr als die Teile.
Spannend ist seine Perspektive auf den freien Willen und den Determinismus der Naturgesetzte. Für Danielsson sind beide Vorstellungen Illusionen: Der freie Wille, weil er auf etwas außerhalb der Welt gründet, ein völlig unabhängiges Ich. Der Determinismus, weil er nur funktioniert, wenn man ebenfalls von außen auf die Welt blickt.
„Es ist paradox, dass sowohl der freie Wille, als auch der Determinismus auf ebenjenen Dualismus gegründet sind, gegen den mein Buch ein einziges langes Argument sein soll.“
Ein ungemütliches Weltbild
Diesem Argument muss man nicht folgen, aber der kurze, gut verständliche und vor allem unterhaltsame Essay gibt zahlreiche Denkanstöße. Zumal das Weltbild von Ulf Danielsson zwar gut begründet, aber nicht unbedingt gemütlich ist: „Die Welt selbst mit all ihren Sternen, Teilchen und Menschen tut, was sie tut.“ Mehr wäre da nicht. Aber das schließt eben auch viel Wunderbares mit ein.