Ukraine-Wahl

"Wichtig, dass Geld fließt"

Porträt von Gernot Erler
Der SPD-Politiker Gernot Erler ist Koordinator für die deutsch-russische Zusammenarbeit © dpa / Patrick Seeger
Gernot Erler im Gespräch mit Nana Brink · 26.05.2014
Nach dem Wahlsieg des Oligarchen Poroschenko bei der Präsidentschaftswahl in der Ukraine hat der Russlandbeauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler (SPD), Europa dazu aufgefordert, das Land politisch und finanziell zu unterstützen. In der Haltung Russlands sieht Erler einen Wandel.
Nana Brink: Die Menschen in der Ukraine hatten mit dem gestrigen Tag ja vor allem eines verbunden: dass endlich Ruhe einkehrt. Und auf die Frage, wer nun von den 20 Kandidaten bei der Präsidentenwahl derjenige wäre, der Ruhe und Ordnung dem Land bescheren könnte, da antworteten viele ganz spontan, Petro Poroschenko natürlich. Der Schokoladenkönig, der milliardenschwere Oligarch, der ehemalige Politiker – ihm trauen offenbar die meisten auch zu, die Ukraine vor der drohenden Spaltung zu bewahren, und deshalb haben sie ihn auch mit über 50 Prozent gewählt. Was denkt nun der Westen, der sich ja auch nach der gestrigen Europawahl sortiert? Viel spannender noch die Frage, wie reagiert der russische Präsident. Der SPD-Parlamentarier Gernot Erler ist Russlandbeauftragter der Bundesregierung. Schönen guten Morgen, Herr Erler!
Gernot Erler: Guten Morgen, Frau Brink!
Brink: Ist die Wahl eine Wende, wie man gehofft hat?
Erler: Das wird sich erst noch rausstellen. Auf jeden Fall ist sie ganz wichtig jetzt in dieser Situation, aus zwei Gründen: Einmal, sie hat stattgefunden und sie hat, wenn ich das richtig sehe, im großen Ganzen normal bis auf den Osten stattgefunden. Aber da werden wir heute Nachmittag noch einen Bericht der OSZE-Beobachter bekommen. Und sie ist eindeutig ausgegangen, vor allen Dingen im ersten Wahlgang entschieden worden. Fast 56 Prozent für Petro Poroschenko, das ist ein sehr deutliches Votum. Die Zweitplatzierte Timoschenko hat nicht einmal ganz 13 Prozent – also ist es ein eindeutiges Votum der Bürger, das hier vorliegt, und wir brauchen keine drei Wochen Hängepartie mehr bis zum zweiten Wahlgang am 15. Juni. Das ist zunächst einmal das stabilisierende Moment, was von dieser Wahl ausgeht.
Brink: Nun hat der Wahlsieger Poroschenko sich ja schon deutlich geäußert über seine Politik, die er vorhat. Er will vor allen Dingen hart gegen die Separatisten im Osten vorgehen, aber auch mit Russland reden. Ist vor allen Dingen Ersteres klug?
Erler: Ich glaube, Ersteres kann er nicht anders sagen. Er muss ja die nationalen Ziele der Ukraine als Präsident verfolgen, und er musste damit natürlich auch Wahlkampf machen, das ist klar. Die Frage ist, ob dafür ihn die Menschen tatsächlich gewählt haben, denn so harte Töne hat man natürlich von anderen Kandidaten auch gehört. Ich glaube, das Alleinstellungsmerkmal von Poroschenko war, dass er diese nationalen Ziele mit einer klaren Kompromissbereitschaft und eben auch mit dem Ziel, über Verhandlungen mit Russland zu einem Ergebnis zu kommen, verbunden hat. Und insofern haben die, die ihn gewählt haben, sicherlich die Hoffnung, dass auf diese Weise jetzt dieses Chaos und auch das Blutvergießen so bald wir möglich beendet wird.
"Da gibt es natürlich noch Fragen"
Brink: Russlands Präsident Putin hat ja schon Ende letzter Woche auf dem Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg angekündigt, er würde die Entscheidungen des ukrainischen Volkes respektieren. Glauben Sie das, und was bedeutet respektieren im Putin'schen Sprachgebrauch?
Erler: Erst mal muss man feststellen, dass es ein Wandel in der Position des russischen Präsidenten ist, der bisher nämlich mehrfach darauf hingewiesen hat, dass wegen der chaotischen Verhältnisse in der Ostukraine, wo möglicherweise bis zu sechs Millionen Menschen gar nicht teilnehmen können an der Wahl, dass dadurch das keine regulären Präsidentschaftswahlen sind, und das verbindet er auch immer mit dem Hinweis, dass aus seiner Sicht sowieso noch Viktor Janukowitsch Präsident der Ukraine ist.
Also hier hat es einen Wandel gegeben. Diese Ankündigung vom 23. Mai ist deswegen international auch sehr aufmerksam registriert worden, weil da ein gewisses Beidrehen offenbar verbunden ist, dass also jetzt die russische Politik auch merkt, dass es vielleicht von Vorteil sein könnte, einen tatsächlich legitimierten Ansprechpartner zu haben und die Legimitation durch diese Wahl dann auch tatsächlich anzuerkennen.
Brink: Also Sie nehmen das ernst?
Erler: Na ja, ich meine, ich gehe mal davon aus, dass Putin das macht, was er angekündigt hat. Und er hat jetzt Gelegenheit heute, dazu sich zu äußern, ob er nun tatsächlich von einem legitim gewählten Präsidenten der Ukraine ausgeht und entsprechend bereit ist, auch mit dem Politik zu machen.
Brink: Hängt das nicht auch dann damit zusammen, um wieder darauf zurückzukommen, wie Poroschenko dann auf die Situation im Osten des Landes reagieren wird?
Erler: Ja, ich meine, da gibt es natürlich noch Fragen. Poroschenko hat angekündigt, dass er umgehend ins Donbass reisen will, er hat nicht ganz genau gesagt, wo er da hin will, auch nicht, was er da genau im Einzelnen vorhat, aber er will reden. Er will eben reden, und er hat ja auch einen Teil seines Wahlkampfs, das ist sehr bemerkenswert, eben im Osten der Ukraine gemacht. Er will auf keinen Fall als jemand gelten, der praktisch nur der Vertreter des Westens der Ukraine ist, vielleicht hängt das damit zusammen. Aber risikolos ist das natürlich nicht.
"Das Wichtigste, das der Westen tun kann"
Brink: In Europa sortieren sich ja die Staats- und Regierungschefs am Dienstag noch, nach der Europawahl gestern, wie es weiter geht, also auch, wer Kommissionspräsident wird. Wie muss Europa den neuen ukrainischen Präsidenten unterstützen?
Erler: Ich denke, die Bereitschaft dazu ist da, und es sind ja auch schon eine ganze Reihe von Beschlüssen gefasst worden, auch gerade im wirtschaftlichen Bereich. Wir wissen, dass dieses Land doch sich am Rande des Staatsbankrotts bewegt, und vor allen Dingen ist ja noch diese Frage offen, wie die Altschulden an Gazprom, also den russischen Gaslieferanten hier beglichen werden. Davon hängt es ab, ob auch noch nach dem dritten Juni, und das ist nicht mehr so weit weg, hier überhaupt Gas für ukrainischen Verbrauch geliefert wird.
Also, hier ist ganz wichtig, dass diese westliche Unterstützung bestätigt wird und dass vor allen Dingen auch Geld fließt, damit diese Schuldenfrage geklärt werden kann. Ich glaube, das ist im Augenblick, neben den weiteren Bemühungen um eine politische Verhandlungslösung das Wichtigste, was der Westen für die Stabilisierung der Ukraine jetzt nach dieser doch eindeutigen Wahl tun kann.
Brink: Obwohl ja beide Kandidaten, gerade auch der SPD-Kandidat Schulz, ja mehr Sanktionen gefordert hat.
Erler: Ja, ich meine, das war ja auch, denke ich mal, als klare Ansage an Russland notwendig, weil ja eben vorher zunächst einmal unklar war, wie Russland auf diese Wahlen reagieren würde. Jetzt gibt es immerhin die Hoffnung, dass das eine konstruktive Reaktion ist. Und ich meine, die westliche Seite hat sich sehr festgelegt. Sie hat gesagt, für uns wird die weitere Frage der Sanktionen abhängen, wie Russland auf die Wahl reagiert.
Wird es also weiterhin die Wahl versuchen zu verhindern? Das ist in dieser Form nicht passiert. Wird Putin den gewählten Präsidenten anerkennen oder nicht? Der Präsident ist jetzt gewählt, also das steht jetzt an, das zu entscheiden. Und Russland weiß ganz genau, die russische Führung, dass eben, falls es hier zu einer anderen Entscheidung kommt, also irgendeine Form der Infragestellung des Kandidaten, dann die westlichen Staats- und Regierungschefs über die nächste Stufe von Sanktionen entscheiden werden.
Brink: Gernot Erler, der Russlandbeauftragte der Bundesregierung. Schönen Dank, Herr Erler, für das Gespräch!
Erler: Gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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