Ukraine

Neustart mit Flugzeugen und Raketen

Die neue Transportflugzeug AN-132D bei der Präsentation in den Antonow-Werken am 20. Dezember 2016 in Kiew
Die neue Transportflugzeug AN-132D bei der Präsentation in den Antonow-Werken am 20. Dezember 2016 in Kiew © imago / ZUMA Press
Von Aleksandr Nowikow · 06.01.2017
Nachdem die Kooperation der Ukraine mit Russland in Sachen Rüstungs- sowie Luft- und Raumfahrttechnik beendet ist, sucht sich das Land erfolgreich neue Partner. Aleksandr Nowikow, Völkerrechtler in Charkiw, beschreibt ein hochpolitisches Geschäftsmodell - das aber nur unter einer Voraussetzung funktioniert.
Kiew kündigte ein Seemanöver an. Moskau aber protestierte, fühlte sich provoziert und drohte. Doch die ukrainische Marine testete Anfang Dezember, wie angekündigt, Flugabwehrraketen mittlerer Reichweite im Schwarzen Meer. Darauf versetzte die russische Flotte ihre Abwehrsysteme in Alarmbereitschaft und schickte Schiffe ins Manövergebiet.
Nach zwei Tagen war die Übung abgeschlossen und die Aufregung in Diplomatie und Medien verflog. Erlebte man also nur die gewohnte Propaganda im täglichen Kleinkrieg verfeindeter Nachbarn?
Es ging schon um mehr! Denn die Flugbahn der Lenkwaffen verlief über ein Seegebiet, das nicht nur die Ukraine für sich beansprucht, sondern zu Teilen auch Russland, seit es die Halbinsel Krim annektiert hat. Und natürlich könnte aus dieser schwärenden völkerrechtlichen Wunde jederzeit ein gefährlicher Ernstfall werden.
Die Ukraine jedenfalls hat gezeigt, dass sie sich zu verteidigen weiß – mit Waffensystemen aus eigener Entwicklung und Herstellung. Denn das war die unterschwellige Botschaft aus Kiew: Alle Flugkörper trafen ihr Übungsziel.

Neue Allianzen der Rüstungsindustrie

Während Moskau gleichzeitig einräumen musste, dass der russische Raumfrachter "Progress MS" abgestürzt war. Er sollte Lebensmittel und wissenschaftliches Gerät ins All zur Internationalen Raumstation "ISS" bringen. Doch die Trägerrakete versagte. Der nächste Versuch soll im Februar folgen.
In den Zeiten des Kalten Krieges war die Ukraine die wichtigste Waffenfabrik der Sowjetunion. Sie baute Militärschiffe und sogar Flugzeugträger, produzierte Panzer und Raketensysteme. 12 von 20 Typen wurden im ukrainischen Dnipropetrowsk entwickelt.
Doch mittlerweile haben die ehemaligen Brüdervölker ihre industrielle Kooperation aufgekündigt. Russland erhält aus der Ukraine keine Triebwerke, keine Steuerungen und keinen Service mehr – nicht für die Rüstungstechnik, nicht für die Luft- und Raumfahrtindustrie.
Und während Moskau durch westliche Sanktionen die Hände gebunden sind, sensible Komponenten zu importieren, hat Kiew neue Partner und Investoren gefunden: in den USA, in Saudi-Arabien und der Türkei.

Provokante Manöver fürs Geschäft

Auf diese Weise werden nicht nur eigene Luftabwehrraketen weiterentwickelt. Sondern es ist auch geplant, eine Flügelrakete nach dem Vorbild der amerikanischen "Tomahawk" aufzulegen. Und längst bringen ukrainische Trägerraketen Satelliten aller Art in die Umlaufbahn der Erde.
Im Dezember stellten zudem die staatlichen Flugzeugwerke "Antonow" eine neue zweimotorige Transportmaschine vor, die ohne russische Bauteile hergestellt werden kann. Und mit einem Augenzwinkern boten sie gleich noch Donald Trump an, ihm die nächste Generation der "Airforce One" zu liefern, so sich der neugewählte amerikanische Präsident nicht mit Boeing einigen könne. Denn eine Passagiermaschine steht ebenfalls auf der Projektliste der einheimischen Luftfahrtindustrie.
Gerade nach der Annexion der Krim und eines Teils der Region Donbass durch Russland setzt die Ukraine auf erfahrene Ingenieurskunst und erprobte industrielle Kompetenz. Eine wieder belebte Rüstungsindustrie soll eine neu organisierte, kompakte, professionelle Armee mit modernsten Waffen versorgen. Und die Luft- und Raumfahrtbranche will sich nunmehr selbstständig auf den Märkten der Welt behaupten.
Mit diesem Pfunde wird die ukrainische Wirtschaft allerdings nur wuchern können, wenn es Kiew gelingt, mehr als bisher Investoren aus Europa, Amerika und Asien für das aufgewühlte Land zwischen EU und Russland zu interessieren. Zumindest für Insider hat das Schwarzmeer-Manöver ein Zeichen gesetzt.

Aleksandr Nowikow, Jahrgang 1982, ist Völkerrechtler und Dozent an der Nationalen Juristischen Akademie "Jaroslaw Mudry" in Charkiw. Sein Forschungsschwerpunkt sind Verfassungsänderungen in den postsozialistischen Staaten, so schrieb er seine Doktorarbeit über den "Rechtlichen Status des Präsidenten von Polen".

Aleksandr Nowikow, ukrainischer Rechtswissenschaftler, Professor an der Nationalen Juristischen Universität "Jaroslaw Mudry" in Charkiw
© privat
Mehr zum Thema