Typograf zum Genderstern

"Das grenzt an eine Verschwörungstheorie"

08:54 Minuten
Ein pinkes Sternchen ist auf gelbem Hintergrund zu sehen.
Stern des Anstoßes: Für Friedrich Forssman widerspricht das Genderzeichen dem Prinzip, dass die Gestaltung eines Textes beim Lesen nicht ins Auge stechen soll. © Deutschlandfunk Kultur
Friedrich Forssman im Gespräch mit Frank Meyer |
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Der Genderstern in Texten ruft schnell heftige Reaktionen hervor. Der Typograf und Buchgestalter Friedrich Forssman lehnt dieses Zeichen ab. Sein Nutzen sei nicht bewiesen, zudem drohe es, uns von unserer Sprachgeschichte abzuschneiden.
Der Genderstern mit anschließendem *innen taucht in immer mehr Texten auf – und ist höchst umstritten. Friedrich Forssman beurteilt dieses Zeichen aus seiner beruflichen Sicht als Typograf und Buchgestalter. Und als solcher müsse er sich dagegen wehren, denn der Lesefluss werde durch den Stern behindert, sagt Forssman, der sich auch als Fachautor einen Namen gemacht hat und unter anderem das Monumental-Werk "Zettel's Traum" gestaltete.

Moralische Funktion des Sterns

Der große Unterschied zu anderen Zeichen wie beispielsweise Semikolon, Ausrufezeichen oder Bindestrich sei, dass der Genderstern eine moralische Funktion haben solle: "Es wird der Sprache unterstellt, ungerecht zu sein", so Forssman. Die Unterstellung: "Sie ist über die Jahrtausende hinweg als eine ungerechte Sprache entstanden. Und das müssen wir korrigieren. Wer nicht mitmacht, der ist auf der falschen Seite."
Dagegen wehrt er sich, denn das würde bedeuten, "dass wir auf Jahrzehnte hinaus die Sprache als etwas Gemeinsames, Einigendes aufgeben", so Forssman, und sie stattdessen "als ein Mahnmal betrachten oder als eine Manipulationsmöglichkeit".
Der Genderstern sei auch anders zu beurteilen als die Rechtschreibreform 1996. Diese Reform rief ebenfalls sehr viel Empörung hervor, ist aber inzwischen weitgehend akzeptiert. Doch mit dem Genderstern würden wir uns "von unserer Sprachgeschichte dramatisch abschneiden", meint Forssman.

Rilke-Gedichte gendern?

Denn wenn die "Behauptung, dass das Deutsche mit dem generischen Maskulinum ungerecht ist", aufrechterhalten würde und der Genderstern Teil der natürlichen, verwendeten Sprache würde, müsste früher entstandene Literatur natürlicherweise als sexistisch wahrgenommen oder "in die Gendersprache übersetzt" werden, so auch etwa Gedichte von Rilke. Das würde "eine enorme historische Distanz herbeiführen", sagt Forssman - aus seiner Sicht ein sprachgeschichtliches Opfer, dessen Nutzen er nicht sehe.
Dem Ziel, das mit dem Genderstern verfolgt wird - sichtbar zu machen, dass in Texten, in denen bislang das generische Maskulinum verwendet wurde, nicht nur Männer gemeint sind, sondern alle Geschlechtsidentitäten – stehe er nur in der sprachlichen Ausformung skeptisch gegenüber, betont Friedrich Forssman. "Selbstverständlich bin ich leidenschaftlich für Gleichberechtigung und überhaupt für Gleichheit", sagt er.

Texte unsichtbar machen

Seine Aufgabe als Typograf sei es, Texte unsichtbar zu machen und einen ungestörten Lesevorgang zu ermöglichen. Willkürlich gesetzte Zeichen - was der Genderstern für ihn sei - störten diesen Lesevorgang, erklärt Forssman. Der Stern sei "ein ideologischer Eingriff, der nicht mit Evidenz unterfüttert ist in seiner Wirksamkeit".
Es sei, "als ob ich in der Grammatik des Deutschen eine Ungerechtigkeit verorte und die auf Kosten der Ästhetik und der Geschichte und der Lesbarkeit bekämpfe. Das grenzt an eine Verschwörungstheorie."
(abr)
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