Twitter-Threads

Achtung, ich mach mal ne Ansage!

16:09 Minuten
Montage aus mehreren geöffneten Mündern und einem Twitter-Vogel.
Mit Threads haben sich Twitter-Nutzer die Plattform zurückerobert, findet Dirk von Gehlen. © imago/ZUMA Press
Moderation: Katja Bigalke und Martin Böttcher · 27.04.2019
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Kurz, prägnant, scharf: Social-Media-Experte Dirk von Gehlen zeigt sich begeistert von Twitter-Threads. Da sei "fast schon eine neue rhetorische Figur" im Entstehen. Nur zum Diskutieren lüden Threads nicht ein.
Seit einiger Zeit äußern sich immer mehr Nutzer auf Twitter nicht in Form einzelner Tweets, sondern erstellen Threads: eine Folge von mehreren zusammenhängenden Tweets. So lassen sich längere Beiträge posten als die 280 Zeichen, die Twitter üblicherweise zulässt.
Dirk von Gehlen, Journalist und Social-Media-Leiter der Süddeutschen Zeitung, ist begeistert von der neuen Form, wie er sagt. Es sei "fast schon eine rhetorische Figur, die wir da gerade im Entstehen beobachten können", sagte er im Deutschlandfunk Kultur.
(Beispiel für einen informativen Thread: Ein ehemaliger Google-Mitarbeiter erklärt, warum Empfehlungs-Algorithmen Verschwörungstheorien befeuern und Nutzer radikalisieren.)
Gehlen gefällt zum einen das "Listenartige", dass die Kommentierung in Form von Threads habe. Außerdem zwinge die Logik von Twitter dazu, jeden Punkt der Argumentation auf 280 Zeichen zu beschränken. Und damit bleibe der Zauber von Twitter erhalten: "sich nämlich kurz zu fassen, auf den Punkt zu kommen".
Porträtaufnahme des Journalisten Dirk von Gehlen.
Für Social-Media-Redakteur Dirk von Gehlen sind Threads fast schon eine neue rhetorische Figur.© Copyright: Dirk von Gehlen
Dennoch: "Der alte, weiße Internetmann in mir würde natürlich sagen: Noch schöner wäre es, wenn Leute in ihrem eigenen Blog kommentieren, weil, da kann man einen Gedanken ein bisschen weiter ausführen, da kann man ein bisschen genauer auf Sachen eingehen, da kann man verlinken, was man aus Threads heraus auch nur sehr bedingt kann, und man kann viel Besser Bezug auf Argumente nehmen."
Denn zum Diskutieren eigneten sich Threads nicht sonderlich, räumt Gehlen ein. "Das ist eher so: Achtung, ich mach mal ne Ansage, und jetzt hört mir mal in fünf Punkten zu - und dann kommt ein Thread. Ob man da dann richtig elaboriert und im Sinne eines guten Gesprächs nach Habermas eine Diskussion führen kann, da bin ich doch skeptisch."

Was ist ein Thread?
Thread bedeutet wörtlich "Faden" und bezeichnet eine Reihe von zusammengehörenden Beiträgen in Internetforen und sozialen Netzwerken. Auf Twitter sind Threads eine Folge von mehreren Tweets, die durch vertikale Linien am linken Rand als zusammenhängend gekennzeichnet sind. Seit Ende 2017 sind Threads eine offizielle Twitter-Funktion. Beim Erstellen eines Tweets erscheint ein Plus-Button, mittels dessen sich ein Thread anlegen lässt. Jeder Thread darf maximal 25 Tweets beinhalten.

So wie der Hashtag sei auch der Thread von Nutzern erfunden worden - "ein schöner Ausdruck" dafür, wie die User sich eine Plattform "zurückerobern", betont von Gehlen. Die ersten Threads, die er gesehen habe, seien Livekommentare zu Fußballspielen gewesen oder Meldungen im Rahmen der Terrorismusberichterstattung: "Wo in so Eilmeldungslagen – also, es ist irgendwo ein Anschlag passiert – Kollegen von der New York Times angefangen haben, ihren Wissensstand sozusagen häppchenweise zu transportieren und das dann von 1 bis 15 zu nummerieren."
Dirk von Gehlen selbst hat übrigens erst spät zum Thread gefunden, jedenfalls als Autor: "Ich glaube, den ersten, den ich wirklich geschrieben habe, der ist ganz jung. Der ist irgendwie drei oder vier Wochen alt und es ging ums Urheberrecht, wo ich mal ein paar Argumente strukturieren wollte und dann habe ich das auch mal ausprobiert."
(uko)
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