Wellnesszentren statt Transitzonen
Transitzonen oder Einreisezentren, Angst vor Überfremdung, Politiker, die keinen Nenner finden - kann und darf sich Satire des heiklen Flüchtlingsthemas annehmen? Nach anfänglicher Zurückhaltung lautet die Antwort von Kabarettisten und Satirikern eindeutig: Ja.
Wenn auf dem Bildschirm eine der Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ähnelnde Frau auftaucht, ist Vorsicht geboten. Vor allem, wenn sie erklärt, warum sie mit ihrer Truppe vom Kurs der Kanzlerin abzuweichen gedenkt und mit den Worten begründet …
"Stattdessen unterstützen wir den Onkel Lothar von dem Asylrechtsreformhaus bei seinem schweren Kampf gegen die Fehlanreize für Wirtschaftsflüchtlinge aus aller Welt. Und dazu nehmen wir diese Willkommenswundertüte und füllen sie großzügig mit diversen Sachleistungen. Ein handliches Vierpersonenzelt, ohne lästige Zeltstangen. Ein Tütchen Pfeffer und: eine Fahrkarte. Genau dahin, wo dieser Pfeffer wächst."
Nicht nur bei der vom WDR produzierten Satiresendung "Mitternachtsspitzen" gehört die Flüchtlingsproblematik inzwischen zu den Top-Themen, sondern auch in der Grimmepreis-dekorierten "Heute-Show" im ZDF sorgen sich Kabarettisten inzwischen um das Schicksal von Angela Merkel.
"Wissen Sie eigentlich, wie viele Freunde die Frau noch hat? Insgesamt? (Einspieler:) Ihre Haltung in der Flüchtlingsfrage, die find ich einfach nur gut. Und ein Freund, der in der tiefsten Eifel wohnt, hat mich gebeten, Ihnen zu sagen, dass er Ihre Haltung voll unterstützt. (Merkel:) Dann sind wir schon drei…(Welke:) Drei? Das heißt, nicht mal ihr Mann ist ihr Freund."
Die noch ungelösten Fragen rund um den Zustrom von Flüchtlingen liefern Satirikern reichlich bissigen Stoff. Nicht zu Unrecht, merkt der Medienwissenschaftler Gerd Hallenberger an, der auch der Grimmepreis-Jury angehört. Denn:
"Gerade politische Satire hat nicht nur das Recht, sondern geradezu auch die Pflicht, sich um alle Themen zu kümmern, die einer Gesellschaft auf den Nägeln brennen. Auch wenn es leicht unangenehm wird, wie zum Beispiel beim Thema Flüchtlinge."
Ein Thema, das in der satirischen Verarbeitung viele Facetten bietet.
(Bayerische Mundart):
"Du machst ja überhaupt nichts für Flüchtlinge. Gar nichts machst Du. Jetzt mal ganz langsam Madame. Wer hat denn bei uns an der Haustür das Sicherheitsschloss angebracht?"
Zuschauer ins Grübeln bringen
Vom Sicherheitsschloss ist für Satiriker wie Christian Ehring beim NDR der Weg nicht weit zu den Transitzonen.
"Gut, dass die SPD sich jetzt nicht über den Tisch ziehen lässt und eine Alternative zu dem Irrsinn mit den Transitzonen im Angebot hat. Nämlich Einreisezentren. Da gehen die Flüchtlinge freiwillig hin und lassen sich freiwillig abschieben … Einreisezentren, das klingt nach Wellnesszentren mit Frühbucherrabatt."
Die Einschaltquoten dieser TV-Formate, gerade weil sie gegen den Strich bürsten, sind beachtlich. Mittlerweile, womöglich beflügelt durch den nicht abreißenden Zustrom von Asylbewerben, auch in Deutschland. Medienwissenschaftler Hallenberger:
"In den USA ist vor ein paar Jahren schon aufgefallen, dass verschiedene Zielgruppen des Fernsehens ihre Informationen über das Weltgeschehen nicht mehr aus den klassischen Nachrichtensendungen beziehen, sondern aus Nachrichtensatire."
Wenn selbst ein Schrumpfgermane wie Gernot Hassknecht lauthals im ZDF bekennt:
"Uns kann ja wohl nichts Besseres passieren als ein paar frische Gene von außerhalb. Ich hab mich mit 'ner Deutschen gepaart, das war das Schlimmste in meinem Leben!"
Dann bleiben Lacher nicht aus, aber auch das Hirn kommt bei der Furcht vor Überfremdung ins Spiel, sagt Medienwissenschaftler Hallenberger.
"Die Stärke von satirischen Sendungen in diesem Zusammenhang besteht genau darin, dass durch den unterhaltenden Kontext es leichter, spielerischer möglich ist, genau solche Zusammenhänge auch mal auf den Punkt zu bringen."
Oder wie bei der Frage, ob man Afghanistan nach Einschätzung deutscher Politiker als sicheres Herkunftsland einstufen kann und Flüchtlinge aus diesem Land darum zurückweisen sollte. Satire, wie bei einer fiktiven Schaltung in der Heute-Show zum Korrespondenten Albrecht von Humboldt lässt die Zuschauer ins Grübeln geraten:
(untermalt mit Bomben- und Raketenhagel):
"Albrecht, sagen Sie mal, wie sicher ist es denn da?"
"Herr Welke, da muss man differenzieren."
"Was muss man?"
"DIFFERENZIEREN!!! ...Wenn Thomas de Maizière sagt, hier ist Frieden, dann ist hier Frieden!"
"Herr Welke, da muss man differenzieren."
"Was muss man?"
"DIFFERENZIEREN!!! ...Wenn Thomas de Maizière sagt, hier ist Frieden, dann ist hier Frieden!"
Auf den ersten Blick vermeintlich leichte Unterhaltungskost, serviert über Umwege für Experten wie Gerd Hallenberger auch den erforderlichen Tiefgang.
"Im besten Fall kann Satire hier etwas leisten, was Nachrichtensendungen nicht leisten können. Nämlich durch komplizierte Zusammenhänge durch Überraschungen einem Publikum nahe zu bringen, dass diese Zusammenhänge nicht kennt."