Türkei

Udo Steinbach: "Davutoglu hat sich klein machen lassen"

Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu
Nach dem Rücktritt des türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu gibt es Gerüchte um dessen Nachfolge. © imago stock&people / IPON
Udo Steinbach im Gespräch mit Christopher Ricke und Anke Schäfer  · 06.05.2016
Der Islamwissenschaftler Udo Steinbach sieht die Türkei auf dem Weg in eine Autokratie. Er sagte, der zurückgetretene Ministerpräsident Ahmet Davutoglu habe gerade begonnen, eine selbstständigere Rolle zu spielen.
"Am Schluss war er doch recht eigenständig", sagte der Islamwissenschaftler Udo Steinbach im Deutschlandradio Kultur über den Rücktritt von Ministerpräsident Ahmet Davutoglu. "Er ist in der Tat als Marionette an die Macht gekommen, war ein Professor und hat keine Hausmacht gehabt." Aber der Parteichef sei dabei gewesen, sich in der AKP eine Hausmacht zu organisieren, doch da sei ihm der Staatschef Recep Tayyip Erdogan zuvorgekommen. Bei dem Konflikt zwischen den beiden türkischen Politikern gehe es nicht nur um die Frage einer umstrittenen neuen Präsidialverfassung, sondern für Davutoglu habe auch das Verhältnis zur EU eine größere Rolle gespielt. Anders als Erdogan, der eine Mitgliedschaft der Türkei schon abgeschrieben habe, werde von Davutoglu noch angestrebt. "Hier tat sich einiges auf, was auf Selbstständigkeit schließen lässt", sagte der Wissenschaftler der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Auch in der Kurdenfrage habe der scheidende Regierungschef eine andere Position vertreten.

Erdogans Kampagne im Netz

Mit Blick auf die Kampagne im Netz gegen Davutoglu sagte Steinbach, dass Erdogan dahinter stecke. "Es wäre gar nicht denkbar, eine solche Kampagne ohne eine Unterstützung von Erdogan", sagte er. "Er regiert schamlos, das wissen wir, das haben wir immer wieder erfahren müssen. Er macht die Menschen klein, Davutoglu hat sich klein machen lassen genauso wie der Vorgänger im Amt von Herrn Erdogan." Der türkische Präsident sei ein Populist, der aber in der Mehrheit der Türken etwas berühre, was lange unterdrückt gewesen sei. Steinbach sprach von einer Art Minderwertigkeitsgefühl.

Intensive Förderung der Familie

"Das macht natürlich Sorge, denn die Türkei ist auf dem Weg in eine Autokratie", sagte Steinbach über die Gerüchte, dass Erdogans Schwiegersohn, der Energiemister Berat Albayah neuer Ministerpräsident werden könnte. Der Wissenschaftler erinnerte an die Korruptionsvorwürfe gegen Erdogans Sohn. "Also Erdogan kümmert sich intensiv um die Familie, offensichtlich nicht nur politisch, sondern auch materiell."
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