TTIP

"Vorsicht gegenüber zu aggressivem Auftreten der Amerikaner"

Demonstration gegen das Freihandelsabkommen TTIP in München im Mai 2014
Demonstration gegen das Freihandelsabkommen TTIP in München im Mai 2014 © dpa / picture alliance / Rene Ruprecht
Moderation: Ute Welty |
Die Aufregung um das geplante Investitionsschutzabkommen im Rahmen des Freihandelsabkommens zwischen EU und USA (TTIP) ist für den ehemaligen Vizepräsidenten am Institut für Weltwirtschaft in Kiel, Rolf Langhammer nicht nachvollziehbar. Derartige Investitionsschutzabkommen seien bereits gängige Praxis.
Ute Welty: Die Investitionsschutzklauseln im Rahmen von TTIP sorgen also für jede Menge Aufregung, was Rolf Langhammer nur schwer nachvollziehen kann, Professor am Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Guten Morgen!
Rolf Langhammer: Guten Morgen, Frau Welty!
Welty: Warum finden Sie etwas so wenig schlimm, was andere um den Schlaf zu bringen scheint?
Langhammer: Es ist ja bereits erwähnt worden, dass diese Investitionsschutzabkommen gängige Praxis sind. Wir haben in der Bundesrepublik allein über 130 bilaterale Abkommen mit Ländern, da hat auch niemand sich groß drum gestört. Ich glaube, die ganze Aufgeregtheit hängt auch damit zusammen, dass TTIP, also das Abkommen mit den USA, letztlich in vielen anderen Bereichen Misstrauen weckt und dass von dort her auch, sagen wir mal, eine gewisse Vorsicht gegenüber zu aggressivem Auftreten der Amerikaner zu verspüren ist. Wie gesagt, wir haben solche Abkommen, wir haben vergleichbare Rechtssysteme in den USA, wir haben Investitionen auf beiden Seiten des Atlantiks, das heißt, die Niederlassungen deutscher Unternehmen beispielsweise in den USA kennen die dortigen Rechtsverhältnisse sehr gut, sie sind sehr sicher, umgekehrt gilt das auch. Also, es gibt viel Aufgeregtheit, aber es gibt durchaus Spielraum für Reformen.
Welty: Im Kern geht es um internationale Schiedsgerichte, die sozusagen das Einfalltor sind, um unternehmerische Interessen gegen staatliche, gegen gesellschaftliche Interessen durchzusetzen. Sprich: Der Atomausstieg findet nicht statt, weil die Energieunternehmen utopisch hohe Entschädigungen einklagen könnten. Das klingt aber doch nach einer berechtigten Befürchtung?
Langhammer: Ja. Es ist nur so, man muss unterscheiden zwischen inländischen Investoren und ausländischen Investoren. Der Vattenfall-Fall ist ja bereits erwähnt worden, das ist ein ausländisches Unternehmen, und dieses ausländische Unternehmen hat nun die Möglichkeit, die deutsche Regierung vor diesem Schiedsgericht zu verklagen. Inländische Unternehmen, die deutschen Energieversorger können das nur auf dem deutschen Rechtsweg machen. Das heißt, ein wichtiger Reformeinstieg wäre, dafür zu sorgen, dass diese bilateralen Abkommen oder dieses Investorenschutzabkommen nur dann ziehen, wenn ausländische Investoren erkennbar gegenüber inländischen Investoren benachteiligt werden. Inländische Investoren haben ja immer - das wissen wir auch aus der Welthandelsorganisation und Streitschlichtung - einen besseren Zugang zu einheimischen Gerichten als ausländische. Das heißt also, hier würde ich auf jeden Fall eine Begrenzung einziehen. Nur dann, wenn ein ausländischer Investor erkennbar gegenüber inländischen Investoren diskriminiert wird, dann dürfte er vor ein solches Schiedsgericht ziehen. Aber es gibt auch weitere Dinge, die Transparenz ... Wie bitte?
Welty: Wer stellt das dann fest?
Langhammer: Das müsste natürlich im Vorfeld festgestellt werden. Da haben wir beispielsweise das Prinzip ...
"Gebot gerechter und billiger Behandlung schärfer formulieren"
Welty: Und von wem?
Langhammer: Ja, wir haben zum Beispiel im Rahmen der Streitschlichtung bei der WTO die Möglichkeit, im Rahmen von sogenannten handelsrelevanten Investitionsmaßnahmen zu klären, ob die sogenannte Inländerbehandlung verletzt wird. Das heißt, dass ausländische Unternehmen, die im deutschen Markt beispielsweise tätig sind, nicht die gleichen Rechte genießen wie ein inländisches Unternehmen. Da hätten wir unter Umständen eine Vorinstanz bei der Welthandelsorganisation, die das klären könnte.
Welty: Tatsache ist, dass die Wirtschaft versucht, Einfluss zu nehmen auf politische Entscheidungen, und dass das mit einer weiteren Klagemöglichkeit im Hinterkopf doch nicht weniger werden wird!
Langhammer: Ja, es ist natürlich so, man kann weitere sozusagen Begrenzungen einziehen. Man müsste erstens in diesen Investitionsschutzabkommen recht unbestimmte Rechtsbegriffe wie Quasi-Enteignung oder das Gebot gerechter und billiger Behandlung schärfer formulieren. Diese schwammigen Begriffe, die geben natürlich Unternehmen die Möglichkeit, unter Umständen für jede Gelegenheit, für jedes einzelne kleine Problem zu klagen. Das Zweite ist, es müsste eine zweite Instanz geben. So was haben wir auch schon bei der Welthandelsorganisation im Bereich der Streitschlichtung, da ist es möglich, Widerspruch beziehungsweise Einspruch einzulegen und eine zweite Instanz zu beschreiten. Und drittens wäre ganz wichtig, dass die Verfahren von den Schiedsgerichten öffentlich sein sollten, und zwar nicht nur in Bezug auf die Dokumente und die Stellungnahmen, die eingereicht werden, sondern auch in Bezug auf die Verhandlungen selbst. Ich glaube, das wäre ein ganz wichtiges Korrektiv.
Welty: Sie haben es gerade schon angesprochen, der Investitionsschutz wird wie TTIP überhaupt meist hinter verschlossenen Türen verhandelt. Wundert es Sie, dass die Menschen da hellhörig und dann auch misstrauisch werden?
Langhammer: Ja, aber wie gesagt, im Wesentlichen ist dies bereits gängige Praxis, da hat sich bisher niemand dran gestört. Ich glaube, es hängt alles sehr damit zusammen, dass dieses Abkommen insgesamt so viel Aufgeregtheiten in der Bevölkerung weckt, von den berühmten Nahrungsmittelstandards bis hin zur Sorge, dass die USA unter Umständen Datensicherheitsrechte verletzen, wenn es um Dienstleistungsprofil geht und so weiter. Das fügt sich sozusagen in den gesamten skeptischen Kanon ein, den wir mit diesem Abkommen eben haben.
Welty: Investitionen schützen, aber richtig, und zwar auch mithilfe von TTIP, meint Professor Rolf Langhammer vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Ich danke sehr für dieses Interview in der "Ortszeit"!
Langhammer: Ich danke Ihnen, Frau Welty!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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