TTIP und CETA

Denkpause bis Ende 2017

Die Aktivisten haben vier gelbe Tretboote zusammengefahren und halten übergroße rote TTIP-Buchstaben ins Wasser. Zwei halten ein rotes Transparent mit der Aufschrift "TTIP versenken!" hoch.
Widerstand gegen TTIP in Deutschland: Aktivisten in Hannover versenken im April 2016 symbolisch die TTIP-Buchstaben im Maschsee © dpa
Von Jörg Münchenberg · 03.09.2016
TTIP und Ceta, die geplanten Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada, sind womöglich gescheitert. Da die Verhandlungen völlig geheim ablaufen, müsse man sich über die große Skepsis nicht wundern, meint Jörg Münchenberg und fordert ein Aussetzen der Gespräche.
Zumindest offiziell hält die EU-Kommission an den umstrittenen Freihandelsgesprächen mit den USA unbeirrt fest. Obwohl der Widerstand zumindest in einigen Mitgliedstaaten immer heftiger wird. Doch noch stellt Brüssel nicht einmal den bisherigen Fahrplan in Frage. Obwohl eigentlich niemand mehr ernsthaft daran glaubt, könnte ein Abschluss der Gespräche in diesem Jahr möglich sein, hieß es noch trotzig in dieser Woche. Kurs-Halten um jeden Preis ist aber nicht unbedingt eine kluge Haltung, wenn sich das politische Umfeld deutlich verändert hat.

Widerstand in Deutschland und Frankreich ungebrochen

Natürlich kann die Kommission auf das von den Staats- und Regierungschefs einstimmig erteilte Verhandlungsmandat für die Freihandelsgespräche verweisen. Das zudem erst im Juni dieses Jahres noch einmal ausdrücklich bestätigt worden ist. Doch längst ist klar: der öffentliche Widerstand gegen TTIP ist ungebrochen – zwar nur in einigen EU-Mitgliedsländern, aber eben in den entscheidenden.
Dazu zählen vor allem Deutschland und Frankreich. Präsident Francois Hollande sowie Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel haben diese Stimmungen aufgegriffen und sich entsprechend positioniert. Dabei dürften natürlich auch wahlkampftaktische Überlegungen eine wichtige Rolle spielen. In beiden Ländern wird im nächsten Jahr gewählt, aber auch an der jeweiligen Parteibasis ist das geplante Abkommen extrem unbeliebt.

Bislang kein Entgegenkommen der USA

Aber es gibt durchaus auch inhaltliche Gründe, weshalb der politische Widerstand gegen TTIP in den letzten Monaten gewachsen ist. Bislang bewegt sich bei den Handelsgesprächen herzlich wenig. Gerade bei den aus europäischer Sicht zentralen Themen – Modernisierung der umstrittenen Schiedsgerichte, Zugang zu öffentlichen Aufträgen in den USA oder auch Anerkennung der geschützten Lebensmittel wie Nürnberger Bratwurst oder Parmesankäse – bei all diesen Themen zeichnet sich bislang kein Entgegenkommen der USA ab.
Das hat natürlich mit der unterschiedlichen Verhandlungstaktik beider Seiten zu tun – Washington will möglichst viel Verhandlungsmasse für die Endgespräche, Brüssel will möglichst viele Streitpunkte vorher klären. Was im Ergebnis dennoch dazu geführt hat, dass der politische Frust gerade in Europa über den schleppenden Verhandlungsverlauf merklich gestiegen ist. Gleichzeitig ist es weiterhin nicht gelungen, trotz der Bemühungen seitens der EU-Kommission für mehr Transparenz, die kritische Öffentlichkeit vom Nutzen des TTIP-Abkommens zu überzeugen. Im Gegenteil.

Nur Aussetzen der Gespräche kommt infrage

Dazu kommt schließlich die Unsicherheit, wie es in den USA politisch weiter gehen wird. Präsidentschaftskandidat Donald Trump hat sich bereits als erklärter Freihandelsgegner geoutet; aber auch bei Hillary Clinton ist die künftige Positionierung unklar. Denn auch bei den US-Demokraten gibt es viele Freihandelskritiker.
Rechnet man diese Faktoren alle zusammen, kann es derzeit nur eine Lösung geben. Die Gespräche zu TTIP sollten nicht abgebrochen, aber ausgesetzt werden. Diese Denkpause müssen die EU-Handelsminister Ende September bei ihrem Treffen in Bratislava beschließen. Und erst Ende 2017, nach den erfolgten Wahlen in den USA, Frankreich und Deutschland ist eine Fortsetzung der Verhandlungen vorstellbar.

Verhandlungen müssen transparenter werden

Sofern ein umfassendes Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU dann noch politisch gewollt ist. Und sofern bis dahin auch eine glaubwürdige Strategie auf dem Tisch liegt, wie die Verantwortlichen mit dem tiefen Misstrauen der Öffentlichkeit gegenüber TTIP umgehen wollen.
Noch mehr Transparenz, noch mehr "Erklären" heißt die Vorgabe. Das wäre zwar ein Kraftakt für beide Seiten, keine Frage – aber schließlich geht es bei TTIP auch um deutlich mehr als nur ein gewöhnliches Handelsabkommen. Von dem aber sowohl die EU als auch die USA erheblich profitieren können.
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