Tröglitz: Ein Jahr nach dem Anschlag

"Es wird nicht mehr drüber gesprochen"

Blick auf den ausgebrannten Dachstuhl der zukünftigen Unterkunft für Asylbewerber in Tröglitz
Blick auf den ausgebrannten Dachstuhl der geplanten Unterkunft für Asylbewerber in Tröglitz kurz nach dem Anschlag am 4. April 2015. © dpa / picture alliance / Hendrik Schmidt
Von Christoph Richter · 04.04.2016
Der kleine Ort Tröglitz in Sachsen-Anhalt wurde vor einem Jahr zu einem Ort, der symbolisch für den Rechtsruck und Ausländerhass steht: Unbekannte verübten am Ostersonntag in einer geplanten Flüchtlingsunterkunft einen Brandanschlag. Was hat sich seitdem getan?
"Wir sind froh, dass Ruhe eingekehrt ist. Es wird auch nicht mehr drüber gesprochen."
Sagt eine Rentnerin, mit einem vollgepackten Einkaufsbeutel im Arm. Eine der Wenigen die spricht. Die meisten machen aber einen großen Bogen um Journalisten. Winken nur ab, sind mürrisch. Von Empathie gegenüber den mittlerweile 23 Flüchtlingen ist im 2.700 Einwohner großen Tröglitz kaum etwas zu spüren.
"Wir äußern uns nicht."
Die zerstörte Flüchtlingsunterkunft in der Ernst-Thälmann-Straße steht wie eine offene Wunde mitten in Tröglitz. Die angekohlten Dachbalken sind mit einer Plane verdeckt, damit es nicht reinregnet. Frühestens 2017 soll die Ruine saniert werden. Täter hat man bisher aber nicht ermitteln können.

Haseloff versicherte: "Hier geht es um die Demokratie"

Vor einem Jahr noch versprach Sachsen-Anhalts CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff schnelle Aufklärung:
"Alle zur Verfügung stehenden Ressourcen werden eingesetzt, um dieses gemeine Verbrechen aufzuklären. Das kann ich an dieser Stelle nur noch mal betonen, weil es ein Thema ist, was nicht nur Verbrechensbekämpfung heißt, sondern hier geht es um die Demokratie."
Weshalb kurz nach dem Brandanschlag die Sonderkommission "Kanister" eingerichtet wurde, in der bis zu 22 Beamte ermittelt haben. Ihr provisorisches Büro hatten sie im Hotel "Elsterblick" eingerichtet, das die Ermittler längst wieder geräumt haben.
Zwar wurde im vergangenen Oktober ein Tatverdächtiger verhaftet, der aber schnell wieder freikam. Die Ermittlungen gestalten sich schwierig, sagt Andreas von Koss vom Landeskriminalamt:
"Wir gehen davon aus, dass ein oder mehrere Täter sich gewaltsam Zugang zum Objekt verschafft haben. Und an mehreren Stellen mit Brandbeschleunigern einen Brand verursacht haben."

Wir das Verfahren eingestellt?

Als Tatmotiv vermuten die Ermittler Fremdenfeindlichkeit. Mittlerweile liegen die Akten bei der Staatsanwaltschaft in Halle. Dort prüfe man derzeit, ob das Verfahren eingestellt werden soll.
Der kleine Ort Tröglitz im Süden Sachsen-Anhalts – bei den Landtagswahlen Anfang März wird hier die rechtspopulistische AfD mit 31,9 Prozent der Stimmen stärkste Kraft, knapp 5 Prozent der Tröglitzer wählen die NPD – wurde vor einem Jahr – quasi über Nacht – zu einem Ort, der symbolisch für den Rechtsruck und Ausländerhass steht. Was auch mit dem Rücktritt des früheren Bürgermeisters Markus Nierth zu tun hat.
Das letzte Jahr sei kein einfaches gewesen, sagt der 47-jährige Nierth noch. Freunde hätten sich abgekehrt, andere würden die Straßenseite wechseln. Es gab offene Morddrohungen.
"Es gibt noch immer die Ewiggestrigen, die an ihrer eigenen Frustration festhalten und sie auf die Flüchtlinge projizieren und weiter Hass schüren."

Umsatzeinbußen nach Einsatz für Flüchtlinge

Als selbständiger Trauerredner habe er seinen Angaben zufolge wegen seines Einsatzes für Flüchtlinge erhebliche Umsatzeinbußen hinnehmen müssen. Ähnlich sei es seiner Frau ergangen, einer ausgebildeten Tanzpädagogin. Jetzt überlege man Tröglitz zu verlassen.
Doch es gibt auch das andere Tröglitz. Beim ortsansässigen Verein TSV Tröglitz sind zwei der afghanischen Flüchtlinge in der Fußballmannschaft fest integriert. Seit kurzem besitzen sie nicht nur Fußballschuhe, sondern – und das ist in Deutschland viel wichtiger – einen Spieler-Pass, so der Vereinsvorsitzende Tobias Neupert des Kreisligisten Tröglitz.
"Ist ein gegenseitiges Kennenlernen. Ja, das auch viele mal einen Eindruck bekommen, was die Leute in ihrer Heimat zu kämpfen haben, wo die herkommen, was sie bewegt."
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