Traditionsblatt unterm Hammer

Von Barbara Roth |
Auf dem Höhepunkt der Zeitungskrise stand der Süddeutsche Verlag ("Süddeutsche Zeitung") kurz vor der Pleite. Mittlerweile hat sich das Blatt gewendet. Die Mehrheitseigner wollen ihre Anteile im Wert von rund einer Milliarde Euro abstoßen.
Der Verkauf des Süddeutschen Verlags – mit dem Flaggschiff "Süddeutsche Zeitung" – zieht sich seit Monaten hin. Nun konkretisiert er sich. Wann verkauft wird, an wen und vor allem zu welchem Preis – darum geht es dieser Tage. Bis Donnerstag dieser Woche werden für die Kaufinteressenten die Geschäftsbücher geöffnet. Sie dürfen das Objekt ihrer Begierde erstmals detailgenau rechtlich, kaufmännisch und finanzwirtschaftlich prüfen.

Zutritt haben sechs Kaufinteressenten: Der Georg von Holtzbrinck-Verlag aus Stuttgart, ihm gehört "Die Zeit", die WAZ-Gruppe aus Essen, die hinter der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" steht und der Kölner Verlag DuMont Schauberg, der die "Frankfurter Rundschau" gekauft hat. Auch drei internationale Finanzinvestoren, unter anderem der umstrittene britische Zeitungsverleger David Montgomery, der bereits die "Berliner Zeitung" übernommen hat, sind eingeladen, in die Bücher zu blicken.

Die Präsentation der Zahlen findet nicht im Verlagsgebäude, sondern in einem Münchner Hotel statt. Und das hat seinen Grund: Der Süddeutsche Verlag gehört sechs Gesellschaftern – es sind fünf Familien und die Südwestdeutsche Medien Holding, hinter der die Zeitungsverleger aus Stuttgart stecken. Vier der sechs Gesellschafter – es sind die Erben der Zeitungsgründer - wollen ihre Anteile, insgesamt 62,5 Prozent, meistbittend verkaufen; die Erbengeneration will vor allem Kasse machen. Sie räumen das teilweise auch offen ein. Sie gehen längst anderen Berufen nach und haben mit dem Verlagsgeschäft nichts am Hut. Es heißt, ihnen sei egal, an wen die "Süddeutsche", die am 6. Oktober 1945 erstmals erschien, veräußert wird – Hauptsache der Preis stimmt. Zwischen einer und 1,2 Milliarde Euro soll der Verlag wert sein.

Einziges Hindernis: Die Stuttgarter Zeitungsverleger besitzen ein Vorkaufsrecht. Das haben sie sich 2002 gesichert, als sie den Münchner Verlag mit einer Finanzspritze vor der Pleite retteten. Die Südwestdeutsche Medien Holding aus Stuttgart würde die Anteile der anderen Gesellschafter sofort übernehmen – am liebsten aber den Kaufpreis diktieren. Erst vor Gericht mussten sich die verkaufswilligen Familien das Recht erstreiten, den Preis am Markt ausdiskutieren zu dürfen.

Die Stuttgarter können nun auf Zeit spielen. Sie werden abwarten, welche Angebote die sechs Kaufinteressenten abgeben. Und dann in aller Ruhe entscheiden: Ob sie beim Preis mitgehen und ihr Vorkaufsrecht nutzen. Oder ob sie ihre Anteile ebenfalls abstoßen – und auch Kasse machen.
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