"Dem Leser ist es letztlich doch egal, wem die Zeitung gehört"

Moderation: Tom Grote |
Nach Einschätzung des Medienforschers Horst Röper schaden Verkaufsspekulationen der "Süddeutschen Zeitung" nicht. Dies sei nicht sonderlich schwierig für das Unternehmen, erklärte Röper. Ein Verkauf würde einen "enormen Schub in Richtung Pressekonzentration" bedeuten.
Tom Grote: Horst Röper ist Zeitungsforscher, Chef des Dortmunder Medienforschungsinstitutes und jetzt am Telefon. Tag, Herr Röper!

Horst Röper: Ich grüße Sie!

Grote: Was glauben Sie, wem gehört demnächst die Meinungsmacht der "Süddeutschen Zeitung"?

Röper: Ja, das ist in der Tat schwierig zu sagen. Ich glaube allerdings, wir werden es mit einem Verlagsunternehmen zu tun haben, also ich glaube, dass die derzeitigen Eigner nicht an internationalen Investoren, also an Fonds-Gesellschaften, die ja noch mitbieten, letztlich veräußern werden.

Grote: Können wir mal auseinanderdrösen das Ganze. Welcher Käufer will was anstellen mit der "Süddeutschen Zeitung" oder mit dem Süddeutschen Verlag letztlich?

Röper: Nun, alle wollen natürlich das Gleiche. Sie wollen mit einem der größten der deutschen Verlage letztlich Kasse machen. Sie wollen Geld verdienen, diese Grundlagen dafür sind geschaffen. Die "Süddeutsche Zeitung" steht ausgezeichnet im Markt, genießt einen hohen Ruf, ist unter, wie Sie gesagt haben, den seriösen Zeitungen eben die auflagenstärkste, hat also schon vor Jahren die lange Zeit führende "FAZ" überholt und ist dementsprechend gut auch im Werbemarkt positioniert. Das ist wichtig, weil ja immer noch Zeitungen den Großteil ihrer Einnahmen aus der Werbung erzielen.

Grote: 3900 Menschen arbeiten im Süddeutschen Verlag. Werden es denn nach dem Verkauf auch noch so viele sein, oder dürften da Stellen wegfallen, um Kasse zu machen?

Röper: Das ist in der Tat vorstellbar. Das erleben wir ja oft, wenn solche Konglomerate, es geht ja nicht nur um die "Süddeutsche Zeitung", sondern dazu gehören ja auch Zeitschriften, Verlage und vieles andere mehr, gekauft werden, werden anschließend auch Teile veräußert, um eben die Bankkredite, die man eingehen muss, um solch einen Klotz zu übernehmen, in Teilen sehr schnell tilgen zu können.

Grote: Nehmen wir mal an, das Beste für die "Süddeutsche Zeitung" wäre, wenn alles so bliebe, wie es ist. Wer wäre dann, um das zu garantieren, der beste Käufer?

Röper: Auch das ist schwierig zu sagen. Das können sogar Investoren sein, also die berühmten Heuschrecken. Mutmaßlich wären sie es aber gerade nicht, denn diese Unternehmen sind ja so aufgestellt, dass sie nur kurzzeitig investieren, also nur für wenige Jahre, in diesen Jahren versuchen, auf Gedeih und Verderb das Unternehmen auf Profit zu trimmen, um dann eben mit diesen Bilanzen, mit diesen geschönten Bilanzen, dann eben erneut beim Verkauf Kasse machen zu können.

Grote: Und dass dann ein höherer Kaufpreis rauskommt als der, der jetzt im Moment gehandelt wird, nämlich 1,0 bis 1,2 Milliarden Euro. Ist das die "Süddeutsche" wert?

Röper: Ja, ich denke ja. Denn der Zeitungsmarkt allgemein steht ja wieder gut da. Wir hatten nach 2000 eine deutliche Werbekrise. Das hat alle Verlage Geld gekostet, Umsatz gekostet und auch die Rendite deutlich geschmälert. Diese Zeiten sind inzwischen überwunden. Die Verlage verdienen wieder klotzig Geld. Insgesamt gehört die Branche sicherlich zu den bestverdienenden überhaupt in der Bundesrepublik, also Renditen von 20 Prozent sind dort nicht selten. Und solche Umsatzrenditen kennen wir aus anderen Branchen ja kaum.

Grote: Der Süddeutsche Verlag und damit auch die "Süddeutsche Zeitung" soll verkauft werden. Deutschlandradio Kultur dazu im Gespräch mit Horst Röper, Zeitungsforscher und Chef des Dortmunder Medienforschungsinstitutes. Herr Röper, im "Handelsblatt", da wurde vor gar nicht so langer Zeit ein Insider zitiert, der sagte, dass im Süddeutschen Verlag Holtzbrinck als Wunschkandidat gelte. Nun muss man natürlich wissen, das "Handelsblatt" gehört Holtzbrinck. Sollte man also besser nicht unbedingt alles glauben, was in den Zeitungen über den Verkauf des Süddeutschen Verlages steht?

Röper: Nee, in der Tat. Derzeitig werden natürlich auch mit Nebelkerzen geworfen. In vielen Verlagen macht man sich hübsch und stellt sich gut dar, verbreitet Gerüchte, die in die Landschaft passen. Dennoch ist dieses Gerücht, dass das Handelsblatt dort verbreitet hat, insofern etwas glaubwürdig, weil der Holtzbrinck- Verlag zu jenen Verlagen gehört hat, die auch nach Übernahmen, die zumindest die Redaktion in weiten Teilen eben so haben weiter arbeiten lassen wie zuvor. Das galt beispielsweise auch bei der Übernahme der Wochenzeitung "Die Zeit". Insofern gibt es in diesen Redaktionen von Holtzbrinck eine relative Zufriedenheit mit dem Eigner. Insofern ist das nicht unwahrscheinlich, und deshalb setzen wohl auch in der Tat viele Mitarbeiter darauf, dass sie eben nicht an eine Heuschrecke veräußert werden, sondern eben an eine der großen Verlagsgruppen, die jetzt im Gespräch sind.

Grote: Nun gibt’s, wie eben im Beitrag von Frau Roth gehört, oder wie Sie auch schon gesagt haben, heftiges Gerangel um den Verkauf. Da werden Nebelkerzen und ähnliches geschmissen, viel Spekulation, aber wenig Klares. Schadet dieses ganze Hickhack nicht dem Ansehen der Zeitung?
Röper: Nein, ich denke nicht. Denn wir haben uns ja längst daran gewöhnt, dass auch im Medienbereich eben immer wieder große Objekte zum Verkauf stehen, und dass dabei dann manchmal hier und da ein paar Kratzer am Image erreicht werden, erzielt werden, mag sein. Aber das ist, glaube ich, nicht sonderlich schwierig für das Unternehmen. Denn dem Leser letztlich ist es doch egal, wem die Zeitung gehört, wenn denn der redaktionelle Inhalt stimmt. Das kann man eben bei den Verlagen, wenn eben die Verlage die "Süddeutsche Zeitung" übernehmen würden, voraussetzen. Allerdings würde das eben bedeuten, dass wir in der Bundesrepublik im Zeitungsmarkt einen erneuten, enormen Schub in Richtung Pressekonzentration erleben würden, denn alle Beteiligten, die jetzt genannt werden, zählen zu den Großverlagen in der Bundesrepublik. Und auch die "Süddeutsche" zählt zu den zehn größten Verlagsgruppen an der Auflage gemessen. Also hier gibt es einen Konzentrationsschub, der natürlich mit enormer publizistischer Macht dann verbunden ist, der künftige Eigner hat also enormen Einfluss in allen möglichen Feldern, nicht zuletzt natürlich auch in der Politik in der Bundesrepublik.

Grote: Haben Sie konkrete Beispiele dafür, dass dieser enorme Einfluss auch schon mal wirklich ganz explizit genutzt wurde?

Röper: Nun, gerade derzeit erleben wir ja so etwas, wenn man einzelne Zeitungen verfolgt, dann sieht man ja deutlich, dass Zeitungen und auch deren Inhalte auch instrumentalisiert werden für die ökonomischen Interessen der Verlage. Beispiel derzeit: Manche Verlage sind ja heftig, also mit großen Finanzmitteln in die neuen Postdienste eingestiegen, wollen also zu Konkurrenten der Deutschen Bundespost werden und führen nun heftige Agitationen gegen den angekündigten Mindestlohn in diesem Bereich und nutzen dafür eben dann auch ihre eigenen Blätter. Das ist deutlich erkennbar.

Grote: Vier der sechs Gesellschafter, um noch mal zurückzukommen auf den Süddeutschen Verlag, sind die Erben der Zeitungsgründer. Denen sei die Zukunft der Zeitung total egal, die wollen nur Kasse machen, heißt es in einem Artikel in der "taz" zum Thema. Die Gesellschafter selbst, die streiten das ab und reden davon, dass die verlegerische Verantwortung bei der Auswahl eines Käufers eine sehr, sehr große Rolle spielt. Glauben Sie das?

Röper: Ja, ich unterstelle das zumindest bei Einzelnen der Eigner, denn noch sind ja auch Eigner in diesem Verkäuferlager, die lange Zeit auch eine führende Rolle im Unternehmen gespielt haben, denen also weder das Unternehmen, noch die Zeitung egal sein wird ad eins. Ad zwei muss man eben auch sehen, das sind bekannte Münchener Familien, die entsprechend eben auch in der Gesellschaft, in der Society Münchens ′ne Rolle spielen. Und ich glaube, die werden künftig bei irgendwelchen Partys und großen Gelegenheiten nicht darauf erpicht sein, nun angesprochen zu werden, warum habt ihr den an eine Heuschrecke veräußert.

Grote: Also weil die als Raffkes dastehen in der Öffentlichkeit?

Röper: Eben. Und ich glaube, darauf kann man schon setzen. Also gegebenenfalls werden sie vielleicht sogar auf ein paar Millionen verzichten, um sich diesen Ruf nicht einzuhandeln. Sicherlich ist klar, wenn denn eine große Lücke klafft zwischen den Angeboten der Heuschrecken und jener der Verlage, dann wird man sich wohl fürs große Geld entscheiden.

Grote: Bis wann wird der Verkauf über die Bühne gehen?

Röper: Er soll ja Anfang nächsten Jahres gelaufen sein. Das halte ich auch für realistisch, wenn denn jetzt die Prüfung der Bücher schnell vollzogen wird.

Grote: Streit um den Verkauf der "Süddeutschen Zeitung" und des Süddeutschen Verlages. Dazu Horst Röper, Chef des Dortmunder Medienforschungsinstitutes. Vielen Dank, Herr Röper!