Tina Bremer-Olszewski: „Love hurts“
© Carlsen Verlag
Horrorfilm mit Happy End
07:08 Minuten

Tina Bremer-Olszewski, Mit Illustrationen von Hanna Wenzel
Love hurts. Warum Liebeskummer ein echter Scheiß und gleichzeitig ein Segen istCarlsen, Hamburg 2022176 Seiten
14,00 Euro
Wer weiß, warum sich Liebenskummer so schrecklich anfühlt und was im Körper genau passiert, der kann aus dieser kummervollen Zeit gestärkt herausgehen. Wie das gelingen kann, erklärt dieser Ratgeber ganz hervorragend.
Ganz klar – Tina Bremer-Olszewski kennt ihr Publikum: Die Kulturwissenschaftlerin gehörte zum Dr. Sommer Team der „Bravo“ und übte sich schon dort in der Beratung von Jugendlichen in Sachen Sex- und Liebessorgen. Ihr Aufklärungsbuch „Make Love“, das sie 2017 gemeinsam mit Ann-Marlene Henning geschrieben hat, war sogar für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert.
Nach dem Sexratgeber jetzt also das Buch zum Thema Liebeskummer. Und auch in „Love hurts“ trifft die Hamburgerin den Ton: Frech und geradeaus lässt sie nichts aus, was das Thema angeht, jede Phase des Verlustes wird ausgiebig beleuchtet und jede Stufe der Trennung durchdekliniert.
Denn obwohl Liebeskummer „ein echter Scheiß“ ist, „den Stecker zieht“, ein „Horrorfilm in Zeitlupe“ ist und der Körper „in diesem Zustand ein echtes Arschloch“, kann Liebeskummer auch ein Segen sein. Wenn jede*r aus den Verletzungen lernt und an ihnen wächst. Damit das gelingt, erklärt Tina Bremer-Olszewski zusammen mit Fachleuten, was genau im Körper und der Psyche vor sich geht.
Liebeskummer ist wie Zahnschmerzen
So wissen Forschende, dass Liebeskummer in genau derselben Hirnregion sitzt wie Zahnschmerzen. Sie konnten zeigen, dass eine unfreiwillige Trennung einen körperlichen und extremen Schmerz auslöst. Das Suchtzentrum wird aktiviert. Entzugserscheinungen treten auf. Der Körper ist im Ausnahmezustand: Essen, Schlafen, Arbeiten, Lernen ist kaum möglich.
Alles wird vom Liebeskummer überschattet. Denn bei Verliebten ist das Hormon Dopamin besonders hoch, ihr Belohnungssystem ist aktiviert. Wird man verlassen, will der Körper das (anfangs) nicht wahrhaben. Ähnlich wie bei Drogen verlangt er weiter nach der Ex-Liebe, denn die bedeutet ja weitere Ausschüttung des Glückshormons.
„Menschen vergessen nicht, wer mit ihnen Schluss gemacht hat“, wird die US-amerikanische Anthropologin Helen Fisher zitiert, die seit Jahrzehnten zum Thema forscht. Auch deshalb können Menschen depressiv oder gewalttätig werden, wenn sie sich der Wirkmacht ihrer Gefühle nicht bewusst sind. „Da hat jemand in deinem Gehirn ein Zelt aufgeschlagen und macht es sich dort gemütlich. Du musst ihn rausschmeißen.“
„Du musst ihn rausschmeißen“
Und das sinnbildliche Rausschmeißen geht nur, wenn die negativen Gedankenspiralen durchbrochen werden. Dazu finden sich im Buch konkrete Anleitungen. Von Erste-Hilfe-Hotlines zu Fragenbögen, über Atmen- und Meditationstechniken hin zu Achtsamkeitsübungen. All das soll helfen, den Blickwinkel zu ändern. Weg von der Ex-Liebe hin zum Ich.
„Wer es jetzt schafft, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen und mal zu gucken, was da so im Inneren abgeht, macht einen großen Schritt nach vorne.“ Bravo! Tina Bremer-Olszewski räumt so fast nebenbei mit dem alten Klischee vom „Prinzen auf dem weißen Pferd“ auf, mit ihrem Buch macht sie klar: Alles beginnt mit der Fähigkeit, die eigenen Gefühle genau wahrzunehmen. Und dabei kann Liebesskummer tatsächlich helfen.
Rationale Bestandsaufnahme gehört dazu
Dazu gehört auch eine rationale Bestandsaufnahme, was zur Trennung geführt hat. Auch dazu ermutigt die Autorin. Und ihr schön gestaltetes Buch mit seinen feinen Illustrationen dürfte dabei tatsächlich enorm helfen.
Tina Bremer-Olszewski nimmt ihre jungen Leser*innen ernst, holt sie direkt ab, vereinfacht nichts, benennt jeden noch so kleinen Fallstrick. Die wichtigste Botschaft aber ist: Liebenskummer geht vorbei, er lässt wachsen und ist trotzt allem eine extrem wichtige Lebenserfahrung.
„Love hurts“ ist ein wirklich sehr guter Ratgeber! Einzige Einschränkung: Es ist doch vor allem einer für junge Frauen. Jungs dürften sich allein von der Aufmachung in Lila-rosa-Farben mit zerlaufenden Frauenkörpern nicht angesprochen fühlen. Ein bisschen Gender-Neutralität wäre perfekt gewesen, denn Liebenskummer fühlt sich schließlich für alle gleich mies an.