Tim Weiner: Ein Mann gegen die Welt. Aufstieg und Fall des Richard Nixon
Aus dem Englischen von Christa Prummer-Lehmair und Rita Seuß
S. Fischer Verlag, Frankfurt 2016
464 Seiten, 24,99 Euro, auch als E-Book erhältlich
Das "Monster" Richard Nixon
In seiner Biografie Richard Nixons zeigt Tim Weiner den 37. US-Präsidenten als besessenen, bösen Mann. Trotz des reißerischen Stils ist "Ein Mann gegen die Welt" lesenswert: prall an Fakten und verständlich in der Analyse.
"Für jene, die Nixons Amtszeit miterlebt haben, ist es schlimmer, als sie es in Erinnerung haben. Für alle, die zu jung sind, um aus eigenen Erinnerungen zu schöpfen, ist es schlimmer, als sie es sich vorgestellt haben",
schreibt der amerikanische Bestseller-Autor Tim Weiner über den 37. Präsidenten der Vereinigten Staaten, der erste und bislang einzige, der zurückgetreten musste – am 9. August 1974, nachdem ihn die sogenannte Watergate-Affäre politisch zu Fall gebracht hatte.
Im Watergate-Gebäude in Washington befand sich in den 1970er Jahren die Wahlkampfzentrale der Demokratischen Partei. Im Juni 1972 brachte ein Einbrecherteam dort Abhörwanzen an. Ihre Spur führte ins Weiße Haus, zum Wahlkampfteam der Republikaner und dem damaligen Präsidenten Nixon.
In bester Tradition der Watergate-Enthüller
"Ich fühlte mich wie ein Archäologe, der den Palast eines untergegangenen Reiches ausgräbt",
lässt uns der Enthüllungsjournalist und zweifache Pulitzerpreisträger darüber wissen, wie es ihm bei seiner historischen Spurensuche nach dem, was als "White House Horrors" in die Geschichte eingegangen ist und die USA zum Ende des Vietnamkrieges in eine ihrer größten Krisen stürzte.
Er hat Unterlagen ausgewertet, die erst im letzten Jahrzehnt der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind, darunter jene berüchtigten Tonbandaufzeichnungen aus dem Weißen Haus. Sie legen Nixons ebenso berüchtigten Flüche und kriminellen Absichten offen – in bester Tradition von Bob Woodward und Carl Bernstein, den Enthüllern der Watergate-Affäre aus der Redaktion der "Washington Post".
Wer also ist dieser Nixon? "Ein großer böser Mann!" Tim Weiner scheut sich nicht vor Effekthascherei, um den Leser gleich im ersten Kapitel hineinzuziehen in die Tragödie eines Mannes, der sich selbst zerstört habe.
Getrieben von Wut und unstillbaren Rachegelüsten
"Er war von einem dunklen Geist beseelt, einem bösen und gewalttätigen Geist, und er war getrieben von Wut und unstillbaren Rachegelüsten. In seinen schlimmsten Momenten stand er am Rand des Wahnsinns".
Ein bisschen weniger Shakespeare hätte dem Eingangskapitel und – letztlich der Beschreibung von Nixons Charakter und Politikstil – gutgetan, aber der Autor erreicht sein Ziel: Man will bis zum bitteren Ende weiterlesen.
Richard Nixon hat nicht nur sich selbst, sondern auch das politische System in einem Maße beschädigt, das bis heute nachwirkt. So plädierte er für eine Aufhebung des Habeas-Corpus-Grundgesetzes, des Rechtes jedes Verhafteten auf richterliche Anhörung. Das hatte zuvor nur Abraham Lincoln unternommen, und zwar im amerikanischen Bürgerkrieg.
Hier zeigt sich ein Herr im Weißen Hauses, wie er sich über dem Gesetz sieht. 30 Jahre später wird mit dem Patriot Act, mit der Einschränkung der Bürgerrechte, und dem Militärgefängnis Guantanamo ein Raum geschaffen, in dem jenes Habeas-Corpus-Recht aufgehoben ist. Bis heute übrigens.
Nixon sah sich damals im Bürgerkrieg gegen Kommunisten, Geheimdienste, Anti-Vietnam-Bewegung und sogar seine eigene Entourage. Sein Misstrauen war legendär. Natürlich auch gegen einen deutschen Bundeskanzler, noch dazu einen aus der Sozialdemokratie.
"Ich kenne Brandt. Ich traue ihm nicht"
Im extra der deutschen Ausgabe hinzugefügtem Kapitel "Ich kenne Brandt. Ich traue ihm nicht" beschreibt Tim Weiner einen geradezu eifersüchtigen US-Präsidenten, dem der deutsche Friedensnobelpreisträger auf der weltpolitischen Bühne in Sachen Entspannung die Show stiehlt.
Sein Regierungsstil – abgeschottet und autokratisch – habe Richard Nixon zu einem unberechenbaren "Monster" gemacht. Leider beantwortet der Autor nicht ausführlich die naheliegende Frage, wer ihn denn im politischen Washington gewähren ließ? Eine Frage, die man sich sicherlich auch über andere amerikanische Präsidenten stellen könnte.
Unbestreitbar jedoch ist Weiners Nixon-Biografie ein fesselndes Beispiel angelsächsischer Geschichtsschreibung: Reißerisch geschrieben, prall an Fakten, verständlich in der Analyse.