Tim Parks: "Der Weg des Helden"
© Verlag Antje Kunstmann
Einem Kämpfer auf der Spur
06:00 Minuten

Tim Parks
Aus dem Englischen übersetzt von Ulrike Becker
Der Weg des Helden. Auf Garibaldis Spuren zu Fuß von Rom nach RavennaAntje Kunstmann, München 2022480 Seiten
28,00 Euro
Giuseppe Garibaldi begegnet man in Italien überall: Plätze tragen seinen Namen, sein Denkmal schmückt viele Städte. Wandernd und lebendig erzählend nähert sich der britische Schriftsteller Tim Parks dem Unabhängigkeitskämpfer.
Bevor Giuseppe Garibaldi im Mai 1860 mit etwa tausend Getreuen von Sizilien aus den Süden Italiens eroberte und damit den Grundstein zur Unabhängigkeit des Landes legte, versuchte er 1849 die Römische Republik gegen die Truppen des Kirchenstaates und Frankreichs zu verteidigen.
Das misslang, Garibaldi musste fliehen. Er und seine Frau Anita, die am Ende starb, verließen heimlich mit 4000 Soldaten Rom, zogen erst nach Süden, dann in einer Zickzackroute, um die verfolgenden Truppen zu irritieren, nach Norden bis er mit 250 Mann nach 30-tägigem Marsch das für ihn sichere Ravenna erreichte.
Den Fluchtweg erwandern
Tim Parks folgt gemeinsam mit seiner Lebenspartnerin im Sommer 2019 Garibaldis knapp 500 Kilometer langem Fluchtweg. Im Gepäck hat er neben Sonnencreme und Funktionswäsche die Aufzeichnungen zweier Mitstreiter Garibaldis. Gustav von Hoffstetter und Franz Pesendorfer berichteten präzise, wie es Garibaldi gelang, ein marschierendes Heer vor feindlichen Truppen zu verstecken und zu verköstigen.
Parks Route liegt fest – möglichst nah an der Garibaldis. So führt sie nicht nur durch ländliche Idyllen und Kleinstädte, sondern auch durch öde Industrieansiedlungen, entlang von Schnellstraßen und Abwasserkanälen.
Parks schreibt, wie er sich schwitzend quält, wie die Wander-Apps auf dem Handy versagen, wie er sich ein Silikonröhrchen über eine seiner Zehen stülpt, weil sich sonst dort eine Blase bilden würde, und denkt im nächsten Moment darüber nach, ob Garibaldi und seine Leute bei ihrer Flucht überhaupt Socken und feste Schuhe trugen: Oft ist in den Berichten von unzulänglichem Schuhwerk die Rede.
Geschichte mit eigenem Wissen geschickt verknüpft
Geschickt verknüpft Parks die historischen Quellen mit seinem profunden Wissen italienischer Kultur und Geschichte. Doch so tief er in der Geschichte Italiens gräbt, so oberflächlich ist mitunter die Beschreibung des heutigen.
Der Brite konstatiert, dass die schönen Kleinstädte nur noch für Touristen da zu sein scheinen, dass sie von Einheimischen verlassen und von Ausländern aufgekauft werden – aber es mangelt an Analyse, warum das so ist und wohin sich die ländliche Welt in Mittelitalien ändert.
Lebendig und mit bissigem Witz
So changiert das Buch zwischen lebendigen, mitunter auch mit bissigem Witz durchsetzen, aber auch ausufernden Wanderbeschreibungen – Weg suchen, Essen suchen, Unterkunft suchen, abendliches T-Shirt- und Sockenwaschen – und klugen Anmerkungen zur italienischen Geschichte und der Rezeption seines Helden.
Dass die italienischen Faschisten sich den Volkshelden und Freiheitskämpfer Garibaldi als einen der ihren aneignen wollten, wo er doch, so Parks, eher ein pragmatischer Idealist war: Ein Republikaner, der schließlich für ein vereinigtes Königreich Italien kämpfte, war das doch das einzige Modell, mit dem sich die Unabhängigkeit des Landes verwirklichen ließ.