Fotokünstler Thomas Ruff

Die Lügen der Bilder zeigen

35:18 Minuten
Der Düsseldorfer Fotokünstler Thomas Ruff blickt in die Kamera.
Thomas Ruff findet, dass den meisten Fotos nicht zu trauen sei - schon gar nicht, wenn es um Krieg geht. © picture alliance / dpa / Roland Weihrauch
Moderation: Ulrike Timm · 16.03.2022
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Er ist einer der bekanntesten Fotokünstler unserer Zeit: Thomas Ruff verfremdet und bearbeitet Bilder im Computer. Seine jüngste Serie über sowjetische und chinesische Propagandabilder hat erschreckende Aktualität.
Propagandabilder aus den 1930er-Jahren, wie aktuell können die schon sein? Momentan sehr, findet Thomas Ruff. Für eine Ausstellung, die erst ein gutes Jahr zurückliegt, hatte sich der Künstler frühe Propagandabilder aus China und der Sowjetunion vorgeknöpft.
In diesen Tagen, wo die merkwürdigen Olympischen Spiele in Peking gerade Geschichte geworden sind, ein Ende des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine nicht absehbar zu sein scheint, schaut man ganz anders auf diese Bilder.
Hier sind Soldaten zu sehen, die in alle Richtungen schießen; Stalin, der in einen Himmel voller Kampfflugzeuge blickt; ein Stadion, dominiert von riesigen roten Fahnen.

Erst Avantgarde, dann Hausfrauenkunst

Ruff hat die Bilder am Computer bearbeitet und verfremdet. „Ich lege so eine Art digitale Struktur darüber, um das Bild so ein bisschen ad absurdum zu führen. Damit wollte ich so eine Art Auffahrunfall machen.“
Dabei schätzt Ruff sogar einen Teil der frühen sowjetischen Propagandabilder:
„Diese Aufnahmen sind einfach sehr gut inszeniert, von der Komposition her wirklich fantastisch. Da waren damals Künstler zugange, die waren wirklich Avantgarde. Leider hat dann Stalin mit seiner proletenhaften und konservativen Art alles plattgewalzt. Und was dann am Ende übrigblieb, war sozialistischer Realismus, schlimmste Hausfrauenkunst.“

Eine Maschine zur Beeinflussung

Von vielen werde er auch der „ungläubige Thomas“ genannt, denn den meisten Bildern traue er nicht. Die Fotografie sei noch immer die „größte Bewusstseinsbeeinflussungsmaschine“, sagt Ruff.
„Die Bilder versuchen permanent, uns rumzukriegen, entweder in die eine oder andere Richtung. Ich versuchte halt, ein bisschen mit dem Finger in die Wunde zu greifen, um zu zeigen, was da alles gelogen wird.“
Thomas Ruff erinnert an den zweiten Irak-Krieg: Hier habe man Journalisten geschickt, „die haben nur berichtet, was die Regierung sehen wollte, beziehungsweise nur Bilder gemacht, die entsprechend gefiltert waren“.
Ruff traut daher nur zwei Fotografen: dem brasilianischen Fotoreporter Sebastião Salgado und dem britischen Fotojournalisten Don McCullin.
Er selbst fotografiert eigentlich nicht mehr. Seit vielen Jahren sammelt Ruff Pressebilder, historische Fotografien, Reisebilder oder wissenschaftliche Aufnahmen. Er verfremdet die Fotos zum Teil so sehr, dass dadurch ganz eigene Bildwelten entstehen. Thematisch ist Ruff nicht festgelegt: Ihn faszinieren die Sterne, politische Bilder, auch mit pornografischen Fotos hat sich der Künstler beschäftigt.

Alle sexuellen Vorlieben darstellen

Ende der 90er-Jahre begann Ruff damit. Die Bilder machte er nicht selbst, er fand sie im Internet. Er sei zu schüchtern gewesen, habe niemanden ansprechen wollen. „Ende der 90er-Jahre gab es schon das Internet. Ich habe dann 'Aktfotografie' und 'Porno' eingegeben. Sofort tauchten dann diese Pornoseiten auf. Scheinbar hat das älteste Gewerbe der Welt sofort den Vorteil des Internets erkannt.“
Ruff machte daraus verpixelte Bilder mit einer ganz eigenen Ästhetik. Dabei habe nicht nur sein „heterosexueller und männlicher Blick auf den weiblichen Körper“ eine Rolle spielen sollen. Er sei vielmehr demokratisch vorgegangen, habe alle sexuellen Vorlieben und Praktiken darstellen wollen.
Begonnen hat Thomas Ruff als Jugendlicher mit Landschaftsfotografie, Reisefotograf war sein großes Ziel. Später studierte der gebürtige Schwarzwälder Fotografie an der Kunstakademie Düsseldorf; seine großen Lehrer waren Bernd und Hilla Becher.
Ruffs Werke erzielen Rekordumsätze. Sein teuerstes Bild, es stammt aus der Serie „Sterne“, wurde auf einer Auktion für 180.000 Euro verkauft. Womit er sich demnächst beschäftigen will? Das kann er noch nicht genau sagen, im weitesten Sinne habe es aber mit Drogenkonsum zu tun.
(ful)
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