Ausstellung "Thomas Ruff" in Düsseldorf

Persiflage auf die chinesische Regierung

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Zwei Kunstwerke an einer Wand.
Dümmlich nennt Ruff die originalen Propagandabilder, die er für seine Serie "Tableaux Chinois" künstlerisch verändert hat. © Installationsansicht/K20 Kunstsammlung NRW/Achim Kukulies
Von Berit Hempel · 10.09.2020
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Der Fotokünstler Thomas Ruff schnappt sich Originalbilder und verfremdet diese. Für seine aktuelle Ausstellung in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf hat er sich chinesische Propagandafotos vorgeknöpft.
Thomas Ruff ist ein Fotograf, der in den letzten Jahren kaum noch selber auf den Auslöser gedrückt hat. Der Künstler benutzt das, was er in Archiven, in alten Zeitungen oder im Internet findet und bearbeitet die Vorlagen in seinem Düsseldorfer Atelier am Rechner.
"Bei der neuesten Serie, die dann im K20 Premiere haben wird – der Titel ist Tableaux Chinois, also chinesische Bilder – da habe ich Propagandafotos aus Büchern, Zeitschriften, die ich ja wahrscheinlich auch die letzten 20/30 Jahre zusammengekauft habe, genommen, habe diesen Offset-Druck gescannt und habe dann eine Pixel-Schicht drübergelegt."
Eine Schicht, die den Motiven eine weitere Ebene zufügt, sie leicht verfremdet, aber immer noch erkennbar lässt: lächelnde Soldatinnen am Feldtelefon, fahnentragende Sportler bei einer Parade und natürlich der Kommunistenführer Mao selber, entspannt lächelnd mit den Händen in den Hüften.
Dümmlich und lächerlich nennt Ruff die originalen Propagandabilder, die er künstlerisch verändert hat und die in der Ausstellung den größten Raum bespielen:
"Die Idee dabei war eigentlich so eine Art Persiflage auf die chinesische Regierung zu machen, die ja sagt, dass sie technologisch, ja sind sie einfach Weltspitze. Aber ideologisch sind sie einfach 50 Jahre zurück. Das heißt, da ist immer noch die eine Parteipolitik. Es gibt einen Vorsitzenden, der entscheiden kann. Und das wollte ich eben über die Mischung von analoge 50er-/ 60er-Jahre Offset und der neuesten Technologie der Digitalisierung darstellen."

Ausstellung soll keine Retrospektive sein

Die Tableaux Chinois sind der bisherige Endpunkt einer langen Reihe von Serien, von denen die Ausstellung, die ausdrücklich keine Retrospektive auf das Gesamtwerk sein will, einen Teil zeigt: kolorierte Fotos von Ausstellungsräumen aus den 1940ern und 1950er-Jahren, unscharfe Pornobilder, deren Originale Ruff im Internet gefunden hat, Marsaufnahmen in 3D. Eine Serie folgte auf die andere.
"Und es gab einige Kunsthistoriker, die haben gesagt, der Herr Thomas Ruff, der arbeitet ja gar nicht konsequent an seinem Lebensoeuvre, sondern der springt ja, das ist ein Hallodri, ein Hansdampf in allen Gassen. Das ist unseriös. Jetzt, nach 40 Jahren, nach wahrscheinlich 25/26 Serien würde ich aber sagen: Der Ruff arbeitet doch seriös, weil ich sehe meine Arbeit als so eine Art Puzzle. Und die Serien sind also halt die einzelnen Puzzleteile."
Puzzleteile, um die unterschiedlichen Techniken, die vielfältige Geschichte und die unterschiedlichen Auswirkungen von Fotografie darzustellen.


Angefangen hat Thomas Ruff, nachdem er sich gegen ein Astronomiestudium entschieden hatte, als Schüler von Bernd und Hilla Becher, die einen neuen, sachlichen Blick auf die Fotografie warfen. Als ihr Student fotografierte Ruff die Wohn- und Schlafzimmer seiner Verwandtschaft und glaubte, so die Wirklichkeit abzubilden. Doch dann erkannte er, dass es nur die Wirklichkeit ist, die er auswählt, die er durch Lichtsetzung und Ausschnitt – wie er sagt – inszeniert.
Ruff-Ausstellung im April 2016 in Toronto. Ein Mann steht vor zwei Kunstwerken.
Thomas Ruff ist Schüler von Bernd und Hilla Becher, die die Düsseldorfer Photoschule begründeten.© imago images/ZUMA Press
"Das heißt, der Fotograf, derjenige, der auf den Auslöser drückt, der hat mehr oder weniger die Kontrolle über das Bild und über die Bildaussage. Wenn man dann weitergeht zu Zeitung, Magazinen, dann Fernsehen, Film kommen die nächsten Instanzen, die Redaktion. Und in der Regel in der Zeitung gibt es ein Bild und Text. Und je nachdem, wie der Text lautet, wird das Bild tendenziös. Also bekam es eine bestimmte Richtung, die vielleicht vom Fotografen gar nicht intendiert ist. Das heißt, die Fotografie ist sehr leicht, ja ich würde sagen missbrauchbar."

Ein großes Lehrstück über die Fotografie

Das wird in der Serie "Zeitungsfotos" besonders deutlich. Ruff sammelte in den 1980er-Jahren Abbildungen aus Tages- und Wochenzeitungen, schnitt sie ohne erklärende Bildunterschriften aus und füllt nun in der Ausstellung eine ganze Wand mit ihnen aus: Fotos in doppelter Vergrößerung von Adolf Hitler mit Schäferhund, einem Kleinkind mit zwei Messern in den Händen und – einem ruhenden Falken. Welche Inhalte mit ihnen verbunden waren, für was sie standen, bleibt – wie von Ruff gewollt – unklar und belegen so des Künstlers These von der Missbräuchlichkeit der Fotografie.
Die Düsseldorfer Ausstellung zeigt, wie Ruff Vertrautes – seien es Bilder von Sternen oder von Blumen – aus dem gewohnten Zusammenhang reißt, sie durch Farben, Unschärfen und Pixel verfremdet und so hinterfragt. Ein großes Ruffsches Lehrstück über die Fotografie sozusagen.
Wer allerdings die großformatigen Portraitaufnahmen sehen möchte, mit denen Ruff in den 1980er-Jahren bekannt wurde, der ist hier falsch. Der muss aber nur ein paar Schritte weiter in den gegenüberliegenden Ausstellungssaal des K20 gehen, wo Fotos aus dem Sammlungsbestand des Museums hängen.

Die Ausstellung "Thomas Ruff" ist noch bis zum 7. Februar im K20 der Kunstsammlung Nordrhein-Westfahlen zu sehen.

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