Thomas Macho

Kunst kann Klimawandel sichtbar machen

Die Klimakapsel Oase 7 hängt an der Fassade des Museums für Kunst und Gewerbe in Hamburg. Die durchsichtige Kugel von acht Metern Durchmesser, entworfen von der österreichischen Architekten- und Künstlergruppe Haus-Rucker-Co. Die Installation ist Teil der Ausstellung "Klimakapseln".
Entworfen von der Architekten- und Künstlergruppe "Haus Rucker Co": Klimakapsel Oase 7 an der Fassade des Museums für Kunst und Gewerbe Hamburg © picture-alliance / dpa / Maurizio Gambarini
Moderation: Korbinian Frenzel |
Was haben Kunst und Klima miteinander zu tun? Wir erfahren beide als eine Art von Schicksal, meint der Kulturwissenschaftler Thomas Macho. Kunst könne helfen, die Folgen des Klimawandels konkret zu machen.
Nach Auffassung von Thomas Macho, Professor für Kulturwissenschaft an der Humboldt-Universität Berlin, kann die Kunst einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Folgen des Klimawandels leisten.
Kunst und Kultur könnten zu einem Bewusstseinswandel beitragen, sagte Macho am Dienstag im Deutschlandradio Kultur: "Denn wir haben natürlich das ganz große Problem, dass wir Klima wie Kultur - und darin besteht eine Verbindung - einerseits als eine Art von Schicksal erfahren. Als etwas, woran man als Einzelner gar nichts tun kann. Und auf der anderen Seite als Projekt. Wir müssen eben was tun."
Probleme deutlich machen
Kunstprojekte könnten deutlich machen, mit welcher Art von Problemen wir konfrontiert seien, sagte Macho. Dabei gehe "gute Kunst" über den "reinen Agitprop-Auftrag" hinaus, der nur eine bestimmte These verdeutlichen wolle. Kunst sei mehr als die bloße Illustration von Dingen, die man täglich in den Nachrichten höre: "Es geht vor allem um Konkretisierung, um etwas sichtbar machen, was man an abstrakten Zahlen und Daten eben so wenig wahrnehmen kann wie im eigenen Alltag."

Der Kulturhistoriker Thomas Macho hat im gerade erschienenen Buch "klima kunst kultur. Welche Fragen formulieren Kunst und Kulturwissenschaften?" einen Beitrag mit dem Titel "Klimawandel ist Kulturwandel" veröffentlicht.


Lesen Sie hier das komplette Interview mit Thomas Macho:
Korbinian Frenzel: Beim Klimawandel hängt alles irgendwie miteinander zusammen: die Rodung des Regenwaldes mit steigenden Meeresspiegeln tausende Kilometer entfernt, unsere Flugreise nach Venedig mit Überschwemmungen in Bangladesch, wie wir essen, wie wir leben. Aber gibt es auch einen Zusammenhang zwischen Kunst, zwischen Kultur und Klimawandel? Diese Brücke erschließt sich vielleicht nicht sofort, aber hoffentlich jetzt in meinem Gespräch mit Thomas Macho, er ist Professor der Kulturwissenschaft an der Humboldt-Universität Berlin. Einen schönen guten Morgen!
Thomas Macho: Einen schönen guten Morgen, Herr Frenzel!
Frenzel: „Klima, Kunst, Kultur", so heißt ein Buch, das hier schwer auf meinem Tisch liegt, frisch erschienen zum Klimagipfel in Lima in Peru. Sie sind einer der Autoren. Aber lassen Sie mich mal angesichts dieser ja wirklich drängenden Probleme, die da verhandelt werden, fragen: Was ist denn konkret der Beitrag von Kunst und Kultur im Kampf gegen den Klimawandel?
Macho: Das kann auf den ersten Blick natürlich nur ein kleiner Beitrag sein, aber ein gewichtiger, ein Beitrag zu so etwas wie Bewusstseinswandel und Veränderung, denn wir haben natürlich das ganz große Problem, dass wir Klima wie Kultur – und darin besteht eine Verbindung – einerseits als eine Art von Schicksal erfahren, etwas, woran man als Einzelner gar nichts tun kann, und auf der anderen Seite als Projekt: Wir müssen eben was tun. Und das wird in Kunstprojekten durchaus auf eine bestimmte Weise verdeutlicht und sichtbar gemacht. Ich denke an Fotografien, wie sie der Nigerianer George Osodi gemacht hat, wo man plötzlich hautnah und visuell direkt die Verschmutzung des Niger-Deltas durch die Ölindustrie wahrnehmen kann, oder die Bilder von Erika Blumenfeld über die Antarktis und die schmelzenden Gletscher, oder es gibt eine wunderschöne Wachs-Walskulptur, die ein argentinischer Künstler zum Klimawandel und zum Thema des Klimawandels geschaffen hat, und so weiter, und so fort.
Frenzel: Also Kunst als Weckruf, als Mahner, als Augenöffner?
Macho: Genau, so ungefähr muss man sich das vorstellen. Es sind einfach Beiträge, die sichtbar machen sollen, mit welcher Art von Problemen wir konfrontiert sind. Die Walskulptur mochte ich besonders gern, weil sie eben .... Das ist ein Riesending, so eine 28 Meter lange Skulptur in Argentinien, die einfach ein Denkmal für einen sozusagen gefährdeten, untergehenden Riesenfisch, der Millionen Jahre von Evolution hinter sich hat, zeigt.
Frenzel: Aber kommt da Kunst und Kultur nicht in die Rolle von, ja, Agitprop, Agitation-Propaganda, also ganz klar eine Agenda zu verfolgen?
Macho: Ja, aber gute Kunst ist immer auch eine solche, die einen Agitprop-Auftrag, eine bestimmte These, die schon klar ist, zu verdeutlichen, auch ein Stück weit widerruft und etwas anderes zu machen versucht, als bloß sozusagen die Illustration von Dingen, die wir ohnehin täglich in den Nachrichten hören. Es geht vor allem um, wie soll man sagen, um Konkretisierung, um Etwas-sichtbar-Machen, was man an abstrakten Zahlen und Daten ebenso wenig wahrnehmen kann wie im eigenen Alltag. Den Klimawandel im Alltag erfährt man entweder ganz, ganz schlimm und ganz hautnah, etwa, wenn man den Wasserhahn aufdreht und es kommt kein Wasser mehr raus, wie in bestimmten Gegenden Brasiliens inzwischen, oder eben, man braucht bestimmte Vermittlungen dazu, und die kann die Kunst leisten.
Frenzel: Aber es ist ja auch eine Form der Ästhetisierung. Ich habe gerade mal geblättert in Ihrem Band und da habe ich mich ertappt bei diesem Gefühl, ja, des Schönen.
Macho: Ja. Das Katastrophale ist leider immer vermählt auch mit dem Erhabenen, und diese Verbindung zwischen dem Schönen und dem Erhabenen auf der einen Seite und der Katastrophe auf der anderen Seite, die gibt es natürlich auch, und das könnte eine falsche Beruhigung auslösen. Aber um diese Beruhigung geht es dem Band nicht, sondern es geht eher darum, auch in Gesprächen dann mit den Künstlern oder mit den Autoren, den möglichen Zusammenhang zwischen unserem Alltagsleben und dem, was man unfassbar als Klimawandel bezeichnet, herzustellen.
Frenzel: Ich bin gerade auch noch mal an Ihrem Aufsatz und stolpere da über eine Überschrift, ich habe hier gestern auch gelesen, „Utopie und Mode" – ich mache das jetzt mal wie Professoren das gerne machen, hängen sich an den Überschriften fest und elaborieren dann daran. „Utopie und Mode", mir fällt dabei ein, was mir mal ein Wissenschaftler aus einem anderen Bereich gesagt hat, der hat gesagt: Wenn ich im Moment Forschungsgelder haben will, muss ich eigentlich immer Klimawandel draufschreiben, dann kriege ich sofort was, auch, wenn der Gegenstand etwas ganz anderes ist. Sehen Sie diese Tendenz bei den Künsten auch, dass das gerade eine gewisse Mode ist?
Macho: Ja, teilweise kann man das so sagen, und auf der anderen Seite eben nicht, weil zum Beispiel die schon erwähnte Walskulptur steht eben auch in Argentinien, das heißt, sie steht an einem Ort, wo eben Konsequenzen und Effekte schon sehr viel deutlicher gespürt werden können als etwa in Berlin oder in den großen Städten Deutschlands.
Frenzel: Haben wir denn dieses Problem des Klimawandels zu lange auf einer technischen Ebene betrachtet, auf einer, die wir einerseits wissenschaftlich, naturwissenschaftlich oder eben auch politisch lösen müssen, ohne uns zu fragen, was macht das eigentlich mit unseren Gesellschaften?
Macho: Das glaube ich ganz sicher, insbesondere unter dem Gesichtspunkt, den wir alle auch seit vielen Jahren wissen, dass eben der Klimawandel eine Vielzahl von Veränderungen, von ganz alltäglichen Veränderungen mit sich bringen wird, Kurskorrekturen, die auch unseren Alltag mitprägen werden, und das fängt bei ganz kleinen, bei Einkaufsentscheidungen an und geht weiter bis zu den schon erwähnten Reiseentscheidungen und so fort.
Frenzel: Kulturwandel, das ist aber in dem Sinne dann wirklich ein sehr weiter Begriff.
Macho: Ja. Das ist ein weiter Begriff und betrifft natürlich nicht nur die Hochkultur, sondern eben einen Kulturbegriff, der eben auch mit der Organisation und Gestaltung unseres Lebens also unter Eimnschluss von Techniken, Kulturtechniken und so weiter zu tun hat.
Frenzel: Sehen Sie da – man kann ja im Schlechten immer auch was Gutes sehen – positive Dinge, also wie sich unsere Gesellschaft durch diesen Klimawandel verändert, Dinge hervorbringt, die wir so noch nicht gesehen haben?
Macho: Das gibt es ganz sicher auch, wenngleich es vielleicht ein bisschen arg langsam geht oder zu gehen scheint. Aber die Entstehung eines Bewusstseins in Bezug auf den Umgang mit Ressourcen, die Entstehung eines Bewusstseins in Bezug auf die Frage des Verkehrs und so weiter, das wird schon sichtbar. Und wenn man daran denkt, dass schon in den 70er-Jahren Carl Friedrich von Weizsäcker mal gefragt hat, wie wir denn so was wie eine demokratische, aber gleichzeitig asketische Kultur generieren können, ... Die große Frage, wie kann Askese oder eben auch Zurückhaltung, wie kann Konsumverzicht anders entwickelt werden als über sozusagen verordnete Maßnahmen, diese Frage harrt einerseits immer noch einer plausiblen Antwort, und auf der anderen Seite wird immer klarer, wie drängend sie ist und eben auch, welchen Beitrag dann zum Beispiel die Künste zu der Entwicklung eines solchen veränderten Bewusstseins leisten können. Einfach wird das bestimmt nicht.
Frenzel: Das sagt der Kulturhistoriker Thomas Macho, ich danke Ihnen für das Gespräch!
Macho: Ich bedanke mich sehr herzlich, Herr Frenzel!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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