Zum Tod von Thierry Mugler

"In seiner Mode habe ich mich wie eine Marvel-Heldin gefühlt"

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Prêt-à-porter-Modenschau der Herbst-Winter Kollektion 95-96 in Paris von Thierry Mugler. Zu sehen sind drei Modelle mit aufwendig gestalteten, opulenten und farbenfrohen Kleidern.
Thierry Mugler habe den „Körper als Skulptur“ gesehen, sagt Katja Eichinger. © Getty Images / Gamma-Rapho / Daniel Simon
Katja Eichinger im Gespräch mit Sigrid Brinkmann · 24.01.2022
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Der Modedesigner Thierry Mugler war vielseitig: Er entwarf nicht nur Kleidung, sondern auch Shows und Parfüms, drehte Videos für Musiker. Sein „Powerfrau-Style" habe sich auf das eigene Körpergefühl übertragen, sagt die Journalistin Katja Eichinger.
Der französische Modedesigner Thierry Mugler ist am Sonntag im Alter von 73 Jahren gestorben. Mit seinen Entwürfen – breite Schultern, tiefer Ausschnitt und enge Taille – war er stilprägend für die Mode der 1980er-Jahre.
Mugler sei der Inbegriff für dieses „Powerdressing“ und habe ihr Frauenbild nachhaltig beeinflusst, sagt die Journalistin und Autorin Katja Eichinger. Sie hat eine Einführung zur Mugler-Ausstellung in der Kunsthalle München erarbeitet.

Mode mit Lebensfreude

„Diese ‚Mugler-Frau‘ ist natürlich auch eine Frau, die Drama für sich beansprucht, die Raum einnimmt, die weder lieb noch pflegeleicht ist und trotzdem Herrin ihrer eigenen Sexualität, ihrer eigenen Erotik ist – und dann gleichzeitig auch unheimlich viel Lebensfreude verkörpert.“
Diese Freude sei auch bei Modeschauen zum Ausdruck gekommen, etwa mit Stars wie Diana Ross auf dem Laufsteg: Veranstaltungen mit Spaß am Verkleiden. Besonders das Theatralische an seiner Glamourmode habe Mugler immer hervorheben wollen, so Eichinger. Muglers Idee des „Körpers als Skulptur“, also diesen in der Silhouette zu verbreitern oder zu verschlanken, habe immer etwas Exzessives beinhaltet.

Den Erfolg mit der Extravaganz in Muglers Kleidung sieht Alexandra Bondi de Antoni, Kulturberaterin bei der Modezeitschrift Vogue, auch im Zusammenhang mit dem HI-Virus. Viele Kreative seien damals an Aids gestorben, erst Mitte der 90er-Jahre konnte die Erkrankung behandelt werden. Auch die Freude dieser wiedergewonnen Freiheit sei in Muglers Mode und Modeschauen zum Ausdruck gekommen.

Als einer der ersten Designer habe er auch Dragqueens und transsexuelle Models auf den Laufsteg geschickt. Der begnadete Schneider Mugler habe die Grenzen bei Formen und Materialien gesprengt, mit Entwürfen aus Leder, Latex und sogar Autoreifen. Mode, die auch Stars wie David Bowie angezogen habe. Doch auch Mugler selbst sei eine Glitzergestalt der 90er-Jahre gewesen, erinnert Bondi de Antoni.

Thierry Mugler umringt von Modellen nach der Show der Kollektion Frühjahr/Sommer 1992 in Paris, Frankreich im Oktober 1991.
© Getty Images / Gamma-Rapho / Daniel Simon

Kleidung für die innere Stärke

Die futuristischen Elemente in Muglers Entwürfen würden sich auf das eigene Körpergefühl übertragen, sagt Eichinger, die mehrere Kleidungstücke des Designers besitzt: „Man macht den Knopf an der Taille zu und auf einmal wird man zur Marvel-Heldin.“
Muglers Kleider würden ein anderes Gefühl für sich selbst vermitteln, etwa für die eigene innere Stärke. So wie ein eher unauffälliges Baumwollkleid des Designers aus ihrem Besitz, „das aber am Kragen silberne Ecken hat – dieser ‚Edge‘, den er auch immer hatte, ist da sehr fühlbar. Und es ist immer wieder diese Taille, die sagt: ‚Okay, hallo, hier komme ich!‘“
Diese „Girl-Power“ hätten auch seine Parfüms verkörpert, etwa „Angel“ in den 90er-Jahren, mit starkem Duft, den man nicht habe ignorieren können. „Es hat diesen Kick, der unheimlich schnell wirkt – und auf einmal steht man da und nimmt Raum ein.“

Mugler-Renaissance in Paris

Bei den neuen Modenschauen in Paris kehre die Sehnsucht nach dem Fantastischen, der nicht-funktionalen Mode nach dem Vorbild Muglers wieder. „Ich kann mir vorstellen, dass diese Flucht in die eigene Vorstellungswelt – durch den Körper und durch die Mode real gemacht –, dass das noch weitergeht.“
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