Theresa Schwietzer über Totenkulte

Angst, dass die Toten zurückkehren

Voodoo-Anhänger praktizieren ihre Riten auf einem Friedhof in der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince zu Allerheiligen.
Voodoo-Riten auf einem Friedhof in der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince zu Allerheiligen. © picture alliance / dpa / Andres Martinez Casares
Theresa Schwietzer im Gespräch mit Christian Rabhansl |
Musik aus der Konserve, Trauerrede, anschließend Kaffee und Kuchen: Beerdigungen sind hierzulande oft uninspiriert. Wie gehen andere Kulturen mit ihren Toten um? Theresa Schwietzer zeigt es in ihrem Buch "Ein Blick auf die andere Seite". Manches lässt einen schaudern.
Theresa Schwietzer erlebte selbst den Abschied von ihrer verstorbenen Großmutter als sehr gewöhnlich - dabei sei diese eine außergewöhnliche Frau gewesen. Anlass für die Hamburger Illustratorin, sich auf eine gedankliche Weltreise zu begeben, um nach anderen Riten zu forschen. Schwietzer wurde fündig - in Haiti und Ecuador, in Indien und Afrika. Dabei fielen ihr starke Unterschiede auf - und erstaunliche Ähnlichkeiten. Zum Beispiel der Brauch, die Toten zu verwirren, bevor sie zu Grabe getragen werden:
"Das heißt der Sarg wird in Irrwegen zum Friedhof gebracht, damit der Tote den Weg zurück nicht mehr findet und die Hinterbliebenen in Ruhe lässt. Das ist in verschiedenen Religionen so, in Ecuador wie auch in Haiti. Die haben ja eigentlich gar nichts miteinander zu tun - trotzdem gibt es diese Bräuche. Auch diese Reinigungsbräuche - das hat natürlich auch hygienische Gründe - trotzdem gibt es diese rituellen Reinigungen, die die Hinterbliebenen durchführen an sich selber, um sich vom Tod reinzuwaschen."

In Ecuador will man die Toten vergessen

Die Angst davor, dass die Toten zurückkehren könnten, hat sie immer wieder entdeckt. Am meisten habe sie das in Ecuador beeindruckt: Dort werde den Toten nicht gehuldigt, sondern alles daran gesetzt, sie zu vergessen:
"Die Toten werden da richtig hinter sich gelassen und man tut alles, um den Tod abzuschütteln. Es gibt in anderen Kulturen offenbar eine größere Angst vor den Toten selber, nicht vor dem Tod, sondern vor den Toten."
Ihre Eindrücke hat Schwietzer in Texten und Bildern verarbeitet: Holzschnitte stünden dabei für die Welt der Toten und des Geistigen, Zeichnungen für das Weltliche. Beides lässt sie ineinander fließen.
Die großen Weltreligionen hat Schwietzer absichtlich weggelassen - sie wollte Religionen betrachten, die uns fremd sind. Übertragen lasse sich von den Ritualen nichts auf unsere Lebensweise, erkannte sie: Sie seien "teilweise wunderschön, teilweise poetisch, aber in unseren Augen eben auch echt grausam". (bth)

Theresa Schwietzer: "Ein Blick auf die andere Seite. Totenkult und Jenseitsvorstellungen"
Durchgehend illustriert
Edition Büchergilde, Frankfurt a.M. 2017
120 Seiten, 20 Euro

Mehr zum Thema