Theatermacherin Karin Beier

"Unser Ding ist kollektives Erleben"

32:00 Minuten
Karin Beier sitzt rittlings auf einem Stuhl und lächelt in die Kamera
Ein Theater soll "einen angstfreien Arbeitsraum" ermöglichen, sagt die Hamburger Intendantin Karin Beier. © Florian Raz
Moderation: Britta Bürger |
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Sie ist Intendantin am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg, dem größten Sprechtheater des Landes. Karin Beier führt dort auch Regie, oft arbeitet sie an mehreren Produktionen gleichzeitig. Sie ist froh, dass wieder live auf der Bühne gespielt wird.
Wenn die Intendantin Karin Beier mit ihrem Team neue Stücke für die nächsten Spielzeiten am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg aussucht, dann überlegt sie als erstes, welche Themen aktuell relevant sind. "Was sind die Themen? Was finden wir wichtig? Wie positionieren wir uns da?" Mit der Dramaturgie wird überlegt, welche Stoffe dazu passen könnten. Das sei oftmals sehr langwierig und schwierig, zum Beispiel, wenn man Romane auf die Bühne bringen möchte: "Man liest nicht an einem oder zwei Abenden so einen Roman, das dauert dann immer und ist ein langer Prozess."

Endlich wieder vor Zuschauern spielen

Die Pandemie-bedingte Zwangspause hat das mit 1.200 Plätzen größte deutsche Sprechtheater als staatliche Bühne natürlich weniger hart getroffen als die privaten Theater. Trotzdem hat diese Zeit allen dort Beschäftigten einiges abverlangt. So hat man zwar auch Vorführungen live gestreamt, aber begeistert war Karin Beier von dieser Form des Theaters nicht: "Unser Ding ist kollektives Erleben. Auch die Diskussionen der Zuschauer hinterher untereinander. Das ist auch ein Credo von mir, dass das zum Zentrum des Theaters gehört."
Jetzt kommen endlich wieder Zuschauer, wenn auch teilweise noch etwas zögerlich, wie Beier feststellt. Man habe sich vielleicht zu sehr daran gewöhnt, alles digital von Zuhause aus regeln zu können. Was dagegen hilft? "Gutes Theater machen", sagt sie. Bei den Vorführungen gelten klare Abstandsregelungen, weshalb derzeit nur etwa die Hälfte der Plätze belegt werden dürfen. Ausnahme: einige wenige Abende, an denen ausschließlich vor geimpften oder genesenen Zuschauern gespielt wird. Das sei vor allem für die Darsteller schön: "Für Spieler macht es einen Unterschied, ob man das Gefühl hat, vor einem vollgepackten Haus zu spielen, als in diesen halbleeren Saal zu blicken."

Mindestens einmal pro Woche ins Theater

Ihre Liebe zum Theater entdeckte Karin Beier mit 15 Jahren. Sie sah "Amphitryon" von Kleist und ging von da an "mindestens einmal pro Woche" ins Theater. "Es ist ein ganz bestimmtes Gefühl gewesen, eine gewisse Form von Aufregung, wenn man im Theater sitzt und das Licht ausgeht." Sie begann an der Schule selbst Theater zu machen. Über ihre englische Mutter gab es schon frühzeitig Kontakte nach Großbritannien, wo in den Sommerferien spezielle Theaterfreizeiten veranstaltet wurden, "diese Summer-Theatre-Schools", erklärt sie, "da durfte ich zweimal in England teilnehmen. Das eine Mal habe ich gespielt und das andere Mal war ich Regieassistent. Und ich glaube, das hat mich schon mächtig geprägt."

Ein angstfreier Arbeitsraum

Dass sie Regisseurin werden wollte und nicht etwa Schauspielerin, war Beier schon relativ früh klar. "Regie ist ja eigentlich auch ein Beruf, den man nicht wirklich erlernen kann. Man kann sich einen Teil erarbeiten und einen Teil kriegt man in die Wiege gespuckt, wie man größere Gruppen von komplizierten Menschen für ein Thema begeistern kann und die zusammenbringen kann."
Mit Anfang 40 wird sie bereits Intendantin, zunächst am Schauspiel Köln. Seit acht Jahren ist sie in Hamburg und genießt auch dort die gestalterischen Möglichkeiten. "Erst mal geht es um ein Grundprofil, das man einem Haus verleihen möchte", und um "einen angstfreien Arbeitsraum", sagt sie. Nebenbei gibt es gelegentlich auch Spielraum, Inhalte auf ganz andere Art zu vermitteln – wie mit einer Fotoausstellung zu Afghanistan, die zur Zeit in den Fluren des Schauspielhauses zu sehen ist.
(mah)
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