Theater nicht nach Moden machen

Moderation: Holger Hettinger · 24.07.2007
Für die Ruhrfestspiele Recklinghausen 2007 hat der Dramaturg Hermann Beil Taboris neues Stück "Gesegnete Mahlzeit" ins Bild gesetzt. Er hat mit ihm zusammen am Wiener Burgtheater und am Berliner Ensemble gearbeitet. "Auf dem Theater ist alles möglich", sei einer von Taboris Leitsätzen gewesen, erinnert sich Beil anlässlich des Todes des großen Theatermannes.
George Tabori wurde 1914 in Budapest geboren. In den 30er Jahren hat er in Berlin als Journalist gearbeitet. Tabori, der einer jüdischen Familie entstammte, floh 1936 vor den Nationalsozialisten nach London. Bis auf seine Mutter ist seine gesamte Familie in Auschwitz ermordet worden. So ist auch die Auseinandersetzung mit dem Faschismus das zentrale Thema seiner Theaterstücke. Bis zuletzt hat er am Berliner Ensemble an neuen Projekten gearbeitet.

Deutschlandradio Kultur sprach mit dem Regisseur und Dramaturg Hermann Beil, langjähriger künstlerischer Weggefährte von Tabori und künstlerischer Mitarbeiter am Berliner Ensemble, über die Zusammenarbeit mit dem Theaterregisseur George Tabori und seine Erinnerungen an ihn. In Tübingen hat er 2002 Taboris "Leon" inszeniert, Anfang des Jahres hat er sich in Karlsruhe mit seinen "Goldberg Variationen" auseinandergesetzt.

Lesen Sie hier einen kurzen Ausschnitt aus dem Gespräch:

Hettinger: Worin besteht für Sie der zentrale Beitrag Taboris zur Theaterwelt der Gegenwart?

Beil: Sein ganz eigener Weg: Er hat uns gezeigt, dass wir Theater nicht nach irgendwelchen Moden machen können, sondern ganz persönlich machen müssen. Das hat er mit den Schauspielern immer wieder auf die schönste Weise gezeigt. Nämlich: Wir müssen vor nichts Angst haben, wir können alles probieren, auf dem Theater ist alles möglich, vor allen Dingen dann, wenn wir es ganz einfach machen.

(…)

Hettinger: Jürgen Flimm hat mal gesagt, dass Tabori mit seinen Theaterfreunden versucht, eine Art Familie zu gründen, korrekt müsste man sagen, eine Ersatzfamilie, denn Taboris leibliche Familie wurde von den Nationalsozialisten getötet. Ist es der Theaterszene gelungen, dieses Netz für ihn zu bieten?

Beil: Ich glaube schon, dass er das gehabt hat am Berliner Ensemble – ganz stark aber auch in Wien in den 13 Jahren unserer Burgtheater-Zeit. Da hat er ja viele Stücke inszeniert wie "Othello" oder Beckets "Endspiel". Es ist ihm immer wieder gelungen, Schauspieler um sich zu versammeln. Diese Familie war so, dass auch immer wieder neue Schauspieler hinzugekommen sind. (…) Es war das Phänomenale, dass sofort ein sehr vertrauensvoller Zusammenhang entstand. Gerade die jungen Schauspieler, die liebten ihn sehr und waren geradezu begierig, mit ihm zusammenarbeiten zu können, weil er es vermochte, ihnen jede Angst zu nehmen.

(…)

Sie können das Interview mit Hermann Beil mindestens bis zum 24.12.07 in unserem Audio-on-Demand-Angebot hören.
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