Theater im Corona-Sommer

Open Air bis in den Herbst und Plexiglas

05:22 Minuten
Ein Schild mit der Aufschrift "Sitzplatz freigegeben!!!" liegt auf einem roten Theatersitz.
Selbst ausverkaufte Vorstellungen bringen unter den aktuellen Hygieneregeln nicht die benötigten Einnahmen. © Picture Alliance / dpa / Patrick Pleul
Von Stefan Keim · 01.08.2020
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Freilichtaufführungen boomen. Weitgehend ausgefallen ist die Saison der Amateurbühnen. Professionelle Privattheater müssen neu kalkulieren. Die Corona-Pandemie ist eine enorme Herausforderung für die Bühnen. Für alle gültige Erfolgskonzepte gibt es nicht.
Heute Abend in Braunschweig. Die Komödie am Altstadtmarkt zeigt eine Uraufführung. Allerdings nicht im Theater, das weiterhin geschlossen bleibt, sondern unter freiem Himmel, im neu eingerichteten Theatergarten im Stadtpark.
Jan Bodinus hat zusammen mit Intendant Florian Battermann das Stück geschrieben: "Open Air findet statt, die Leute kommen. Die Leute wollen auch Karten kaufen dafür, die haben Hunger nach Theater, nach Kunst, und dementsprechend haben wir dieses Stück entwickelt."

Drei Leute auf der Bühne – mehr können sich professionelle Privattheater im Moment kaum leisten, denn auch ausverkaufte Vorstellungen bringen nach den Hygieneregeln bei weitem nicht die unter normalen Umständen erzielten Einnahmen. Bodinus und Battermann greifen in ihrer Komödie "Ich hasse dich! Heirate mich!" die Kontaktbeschränkungen der Corona-Zeit auf: Eine Tanzlehrerin hat auf Onlineunterricht aus ihrer Wohnung umgestellt und verursacht Geräusche, die ihrem Nachbarn – einem Sachbuchautor – auf die Nerven gehen:
"Sie hat sich entschlossen, ihren nächsten Freund danach auszusuchen, wie wenig sie ihn leiden kann. Weil sie die Männer, die sie bisher hatte, immer sehr gut leiden konnte am Anfang. Das hat sich dann aber immer schnell verflüchtigt. Nun findet sie diesen Nachbarn von unten besonders doof, weil der ihr verbieten will, oben Tanzunterricht zu geben, und entscheidet sich, ihn zu fragen, ob er nicht mit ihr zusammen sein will. Das findet er nun höchst erstaunlich."

Ein-Mann- oder Ein-Frau-Shows

Der Vorverkauf läuft gut, Mitte August wird das Stück schon zum ersten Mal nachgespielt, in Wuppertal. Dort allerdings im Theatergebäude, in Kristof Stößels Komödie. Die Wuppertaler haben im Sommer Ein-Mann- oder Eine-Frau-Shows in einer ehemaligen Kirche gezeigt. Da konnten sie 100 Leute reinlassen, und es blieb genug Platz zwischen den Sitzen.
Die kleinen Theater haben weiterhin Probleme. Zwar dürfen sie in Nordrhein-Westfalen wieder bis zu 300 Besucher zulassen, wenn es feste Plätze gibt und die Nachverfolgung, wer wo gesessen hat, gewährleistet ist. Es muss aber auch der Abstand zu den Spielenden gewährleistet sein: vier Meter mindestens. Die Off-Bühne Rottstraße 5 in Bochum hat eine durchsichtige Plane zwischen Bühne und Publikum installiert. Im kleinen Theater Bad Godesberg in Bonn gibt es eine Wand aus durchsichtigen Plexiglasscheiben.
"Nach zwei bis drei Minuten hat der Zuschauer die Plexiglasscheiben vergessen. Die Akustik ist auch erstaunlich gut, das hat uns selber erstaunt, dass so viel noch rüberkommt", sagt Intendant Frank Oppermann. "Leider ist es aber so, dass das Gefühl bei den Zuschauern immer noch sehr zurückhaltend ist, was den Saalbesuch anbelangt."
Besonders die Älteren, die einen großen Teil des Publikums ausmachen, trauen den Lockerungen nicht. "Tatsächlich haben wir einen großen Verlust zu vermelden an Abonnenten, die uns vielfältig geschrieben haben, dass sie jetzt erst mal besorgt sind um die eigene Gesundheit und daher das Abonnement jetzt erst mal nicht mehr wahrnehmen werden."

Neue Kalkulationen wegen der Zuschauerbeschränkungen

Ungefähr die Hälfte der Abonnenten hat das Kleine Theater verloren. Frank Oppermann hat die Kalkulationen verändert: Er braucht nur noch 60 verkaufte Karten, um ohne Defizit zu arbeiten. Aber selbst das ist nicht leicht. Freilichtaufführungen hingegen boomen. Das Theater Schloss Maßbach in Unterfranken oder das Theater Alte Werkstatt im rheinland-pfälzischen Frankenthal melden ausverkaufte Vorstellungen. Weitgehend ausgefallen ist allerdings die Saison der Amateurbühnen. Sie haben längere Probenzeiten, der Lockdown erwischte sie direkt in den Vorbereitungen.
Die meisten haben das für diesen Sommer geplante Programm auf 2021 verschoben. Für die professionellen Privattheater ist das Spielen unter freiem Himmel nur eine vorübergehende Rettung. Jan Bodinus, der auch Intendant der Schlossfestspiele im niederrheinischen Neersen ist, sagt:
"Dieser Sommer ist ja – fast schon untypisch für die letzten Jahre – nicht ganz so warm gewesen. Dennoch kann man sicherlich bis Ende Oktober open air spielen. Da muss man sich halt ein bisschen wärmer anziehen. Ansonsten sehe ich für kleine Privattheater im jetzigen Stand wirklich Probleme, wieder regulär zu öffnen."
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