"The Kinder"
In den Monaten nach der Kristallnacht konnten rund 10.000 jüdische Kinder gerettet werden. In England fanden sie ein neues Zuhause. Heute vor 70 Jahren kamen die ersten jungen Flüchtlinge in Harwich in Südengland an. Noch heute gibt es regelmäßige Treffen der Geretteten.
"Die Flucht jüdischer Kinder aus Deutschland hat das Mitgefühl und Gewissen der restlichen Welt aufgerüttelt. Hier kommt die erste Gruppe in Harwich an. Jedes Kind hat ein Schild mit einem Bild und seinen Personalien. Viele von ihnen wissen nichts über ihre Eltern, auch nicht über ihre Religion. "
berichtet die englische Wochenschau ein paar Tage nach der Ankunft der ersten deutsch-jüdischen Kinder am 2. Dezember 1938. Heranwachsende zwischen fünf und 17 Jahren durften einreisen. 200 deutsch-jüdische Kinder gehörten zum Transport mit dem Dampfschiff namens Prag. Die "Times" schreibt am Tag nach der Ankunft über die Kinder:
"Etwa die Hälfte von ihnen kommt aus einem Waisenhaus in Berlin, das niedergebrannt wurde, die anderen stammen aus der Gegend von Hamburg. Die meisten Kinder erhielten erst 24 Stunden vor der Abfahrt Nachricht und durften nur eine Reichsmark und zwei Taschen mitbringen."
Weiter weiß die Times zu berichten, dass die Kinder vorübergehend in ein Ferienlager gebracht werden und dann in Gastfamilien.
Die britische Öffentlichkeit war aufgeschreckt vom Schicksal der deutschen Juden: besonders von den Berichten über die sogenannte Reichskristallnacht, über niedergebrannte Synagogen und Kinderheime. Nicht einmal ein Monat war vergangen von den Pogromen im November bis zur Ankunft der ersten Kinder in England. Die Historikerin Rebekka Göpfert ist Autorin des Buches "Der jüdische Kindertransport von Deutschland nach England 1938/1939'".
"In Zeiten, in denen es keine E-Mails gab, kein Fax, nur sehr, sehr kompliziert eine Telefonleitung aufgebaut werden konnte, wurden die Listen zusammengestellt, wurden Gasteltern gefunden, wurden Zugtickets gebucht, wurde ein Transitvisum für die Niederlande erreicht. Das finde ich ungeheuerlich."
Fünf Tage nach den Novemberpogromen in Deutschland sprachen Vertreter des Council of German Jewry, dem Rat der Deutschen Juden, bei Premierminister Chamberlain vor. Ihr Vorschlag: deutsch-jüdische Kinder ins Land zu lassen. Ein entsprechendes Gesetz wurde vom Unterhaus gebilligt.
Nur Kinder und Jugendliche durften einreisen, keine Erwachsenen.. Mehrmals hatten Abgeordnete während der Parlamentsdebatten gefragt, wie lange die Kinder denn bleiben sollten. Und ob sie nicht mit Briten auf dem Arbeitsmarkt konkurrieren würden. Die Regierungsvertreter betonten, dass die Kinder nur zu Bildungs- und Ausbildungszwecken im Land bleiben dürften, auf keinen Fall zum Arbeiten.
Die Jüdische Gemeinde verteilte eine Broschüre mit Verhaltensmaßregeln für den Aufenthalt im Königreich.
"Sprechen Sie nicht deutsch in den Straßen, in Verkehrsmitteln oder sonst in der Öffentlichkeit, wie zum Beispiel in Restaurants. Sprechen Sie lieber stockend englisch als fließend deutsch und sprechen sie nicht laut.
Der Engländer legt Bescheidenheit sowie ruhigen Manieren die größte Wichtigkeit bei. Bei Gesprächen sind ihm bescheidene Angaben lieber als Übertreibungen. Er schätzt gute Manieren bedeutend höher ein als alle Zeichen von Reichtum."
Bis zum Kriegsausbruch am 1. September 1939 kamen fast ununterbrochen Kindertransporte nach England. Aus den geplanten fünftausend jungen Flüchtlingen wurden etwa zehntausend. Sie wurden in Familien und Kinderheime verteilt.
Nach dem Krieg mussten die meisten Kinder feststellen, dass ihre Eltern während der Schoa ermordet worden waren. Viele Kinder blieben in England, viele zogen zu entfernten Verwandten in die USA.
Noch heute nennen sich die Überlebenden "the kinder".
In Großbritannien und in den USA ist ihr Schicksal wesentlich mehr im öffentlichen Bewusstsein als in Deutschland. Es gibt regelmäßige Treffen der Kinder, deren Initiatorin Bertha Leverthon von der Queen geadelt wurde. Eine Dokumentation über die Transporte hat in den USA im Jahr 2000 den Oskar bekommen. Schon lange erinnert im Londoner Bahnhof Liverpool Street ein Denkmal an die Transporte. Nun wurde nach langer Kontroverse über die Gestaltung auch in Berlin am Bahnhof Friedrichstraße ein Denkmal enthüllt.
berichtet die englische Wochenschau ein paar Tage nach der Ankunft der ersten deutsch-jüdischen Kinder am 2. Dezember 1938. Heranwachsende zwischen fünf und 17 Jahren durften einreisen. 200 deutsch-jüdische Kinder gehörten zum Transport mit dem Dampfschiff namens Prag. Die "Times" schreibt am Tag nach der Ankunft über die Kinder:
"Etwa die Hälfte von ihnen kommt aus einem Waisenhaus in Berlin, das niedergebrannt wurde, die anderen stammen aus der Gegend von Hamburg. Die meisten Kinder erhielten erst 24 Stunden vor der Abfahrt Nachricht und durften nur eine Reichsmark und zwei Taschen mitbringen."
Weiter weiß die Times zu berichten, dass die Kinder vorübergehend in ein Ferienlager gebracht werden und dann in Gastfamilien.
Die britische Öffentlichkeit war aufgeschreckt vom Schicksal der deutschen Juden: besonders von den Berichten über die sogenannte Reichskristallnacht, über niedergebrannte Synagogen und Kinderheime. Nicht einmal ein Monat war vergangen von den Pogromen im November bis zur Ankunft der ersten Kinder in England. Die Historikerin Rebekka Göpfert ist Autorin des Buches "Der jüdische Kindertransport von Deutschland nach England 1938/1939'".
"In Zeiten, in denen es keine E-Mails gab, kein Fax, nur sehr, sehr kompliziert eine Telefonleitung aufgebaut werden konnte, wurden die Listen zusammengestellt, wurden Gasteltern gefunden, wurden Zugtickets gebucht, wurde ein Transitvisum für die Niederlande erreicht. Das finde ich ungeheuerlich."
Fünf Tage nach den Novemberpogromen in Deutschland sprachen Vertreter des Council of German Jewry, dem Rat der Deutschen Juden, bei Premierminister Chamberlain vor. Ihr Vorschlag: deutsch-jüdische Kinder ins Land zu lassen. Ein entsprechendes Gesetz wurde vom Unterhaus gebilligt.
Nur Kinder und Jugendliche durften einreisen, keine Erwachsenen.. Mehrmals hatten Abgeordnete während der Parlamentsdebatten gefragt, wie lange die Kinder denn bleiben sollten. Und ob sie nicht mit Briten auf dem Arbeitsmarkt konkurrieren würden. Die Regierungsvertreter betonten, dass die Kinder nur zu Bildungs- und Ausbildungszwecken im Land bleiben dürften, auf keinen Fall zum Arbeiten.
Die Jüdische Gemeinde verteilte eine Broschüre mit Verhaltensmaßregeln für den Aufenthalt im Königreich.
"Sprechen Sie nicht deutsch in den Straßen, in Verkehrsmitteln oder sonst in der Öffentlichkeit, wie zum Beispiel in Restaurants. Sprechen Sie lieber stockend englisch als fließend deutsch und sprechen sie nicht laut.
Der Engländer legt Bescheidenheit sowie ruhigen Manieren die größte Wichtigkeit bei. Bei Gesprächen sind ihm bescheidene Angaben lieber als Übertreibungen. Er schätzt gute Manieren bedeutend höher ein als alle Zeichen von Reichtum."
Bis zum Kriegsausbruch am 1. September 1939 kamen fast ununterbrochen Kindertransporte nach England. Aus den geplanten fünftausend jungen Flüchtlingen wurden etwa zehntausend. Sie wurden in Familien und Kinderheime verteilt.
Nach dem Krieg mussten die meisten Kinder feststellen, dass ihre Eltern während der Schoa ermordet worden waren. Viele Kinder blieben in England, viele zogen zu entfernten Verwandten in die USA.
Noch heute nennen sich die Überlebenden "the kinder".
In Großbritannien und in den USA ist ihr Schicksal wesentlich mehr im öffentlichen Bewusstsein als in Deutschland. Es gibt regelmäßige Treffen der Kinder, deren Initiatorin Bertha Leverthon von der Queen geadelt wurde. Eine Dokumentation über die Transporte hat in den USA im Jahr 2000 den Oskar bekommen. Schon lange erinnert im Londoner Bahnhof Liverpool Street ein Denkmal an die Transporte. Nun wurde nach langer Kontroverse über die Gestaltung auch in Berlin am Bahnhof Friedrichstraße ein Denkmal enthüllt.