Teppichweber

Kein aussterbendes Handwerk

08:00 Minuten
Teja Habbishaw in seiner Weberei.
Teja Habbishaw sorgt für das Überleben seiner Traditionsweberei mit einer ganz besonderen Idee für sein Onlinegeschäft. © Jonathan Linker
Von Victor Gojdka · 17.03.2020
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Die goldenen Zeiten für Teppichweber sind vorbei. Es ist ein altes Handwerk, das es kaum noch gibt. Der Betrieb von Teja Habbishaw hat trotzdem gute Zukunftsaussichten. In seinem Onlineshop können die Kunden ihren Teppich sogar selbst gestalten.
Weiß, flauschig und ganz schön staubig: So liegt die Schafwolle vor Bärbel Otto, bevor die Zotteln durch die Spinnmaschine laufen. Die kleinen Wollfetzen sollen zu einem kompakten Faden werden. Die Weberin lässt sie dazu durch die Spinnmaschine laufen, damit sich die Farbmischung aus weiß und gelb kombiniert.
Weberei-Chef Teja Habbishaw wartet vor einem wuchtigen Webstuhl, in dem aus den weiß-goldenen Fäden ein Teppich werden soll. Dabei sind die goldenen Zeiten der Teppichweber längst vorbei. Es ist ein altes Handwerk, das es kaum noch gibt. Schon gar nicht hier in Nordhessen, wo die Lohnkosten hoch sind.
Doch Habbishaw macht weiter. Das Garn müsse in einem leichten Bogen im Webstuhl liegen, sagt er. Mit lautem Rattern wird der Faden von links nach rechts durchgeschossen und schließlich verpresst. Durch den Druck entsteht aus vielen lockeren Wollfäden schließlich ein Teppich.

Familienbetrieb im Onlinezeitalter

Seit 2013 führt Habbishaw den Familienbetrieb. Als er die Firma von seinem Vater übernahm, war sie in Schieflage geraten. Er musste das Unternehmen vom Staub der Zeiten befreien und setzte auf eine ungewöhnliche Idee. Ausgerechnet im 25-Einwohner-Örtchen Rückersfeld beschließt er, die Web-Produkte ins Web zu bringen: Ein Onlineshop für den analog-handwerklichen Betrieb, sollte das Überleben sichern. "Von der Laufkundschaft, die wir hier haben, könnten wir nicht leben", sagt Habbishaw.
Doch ein schnöder Onlineshop ist ihm zu einfach. Er will auch das Onlinegeschäft neu aufrollen – mit einem Online-Konfigurator. Damit können sich Kunden ihren Teppich am Rechner selbst gestalten: Größe, Muster, Farbe. Ein Quantensprung, denn früher gewann die Firma neue Kunden mit Prospekten.
Habbishaw blättert in einem vergilbten Exemplar. "Das hier war der erste Farbkatalog", sagt er. Anfang der 60er-Jahre müsse das gewesen sein. Der Unternehmer blättert dabei auch in der eigenen Familiengeschichte. "Opa Willi", wie ihn alle nennen, machte 1946 die Weberei auf. Zunächst entstehen nur Fußvorleger, aber schnell macht er auch Geschäfte mit großen Teppichhäusern.
"Mein Opa war ein Unternehmer", sagt der heutige Firmenchef. Einer, der stolz darauf war und einen Traum hatte: Einen eigenen Mercedes. "Also hat er sich den fleißig von klein auf erarbeitet."

Sehnsucht nach klassischen Werten

Doch die Bedingungen sind schwierig: Der Preisdruck steigt, die Gewinne sinken. Und irgendwann ist auch die Öko-Nische zu klein für die winzige Weberei. Auch deshalb bringt Teja Habbishaw das Internet in die Familienfirma und beobachtet, dass ausgerechnet ein vermeintlich verstaubtes Produkt wie der Wollteppich in digitalen Zeiten wieder in Mode kommt.
Das liege vermutlich an der Sehnsucht nach der vermeintlich guten alten Zeit, glaubt der Teppichhersteller. "In der heutigen Welt, wo wir uns entfremden und Dinge anonymer werden, hat man ein klassisches, solides Produkt."
Die Kunden zahlen dafür: Ein Wohnzimmerteppich kostet fast 1000 Euro. Jeder dritte Auftrag kommt inzwischen übers Netz. Andere erfahren im Internet von Habbishaw und kommen trotzdem persönlich. Das Internet hat Habbishaw-Teppiche in die Welt gebracht. Aber bis das Internet bei Habbishaw ist, dauert es ziemlich lange. Dateien runterladen? Das zieht sich manchmal über Stunden. Der Breitbandausbau in der hessischen Provinz lässt auf sich warten.

Schnelles Internet? Fehlanzeige

Heute trifft sich Habbishaw deswegen mit Unternehmerfreund Jonathan Linker. Er hat einen Termin beim Ortsbürgermeister, um über die langsame Datenleitung zu sprechen. Seit zwei Monaten habe sich die Situation verbessert, aber so richtig zufrieden sind die beiden nicht.
"Wir liegen noch immer an einer alten Hauptleitung, so dass es immer noch Lücken gibt", sagt Linker. Und Habbishaw ergänzt, dass das in Bayern besser funktioniere als in Hessen. Der Freistaat habe den Ausbau vorangetrieben. "Aber wir wollen ja nicht nach Bayern umziehen", sagt der Hesse. Es gehe darum vor Ort etwas zu ändern. Denn eine schnelle Leitung sei heutzutage Standard.
In der Weberei entsteht der Teppich derweil ohne Internet. Die flauschigen Wollfäden sind aneinander gepresst, fest verwoben mit dünnen Halte-Zwirnen. Neuen Halt hat das Unternehmen jedoch online gefunden.
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