Teilnahme beim Bachmann-Preis

Späte Genugtuung für Helga Schubert

09:35 Minuten
Helga Schubert sitzt auf einer Wiese in einem Stuhl, im Hintergrund sind Bäume zu sehen.
In diesem Jahr endlich als Autorin in Klagenfurt am Start: die Schriftstellerin Helga Schubert. © ORF
Helga Schubert im Gespräch mit Maike Albath · 20.06.2020
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Helga Schuberts Geschichte mit dem Bachmann-Preis begann vor 40 Jahren. Der Schriftstellerverband der DDR verbot damals ihre Teilnahme. Einige Jahre später nahm sie in der Jury Platz. Nun ist sie virtuell dabei - als älteste je eingeladene Autorin.
Seit 1977 gibt es die Tage der deutschsprachigen Literatur im österreichischen Klagenfurt und den Ingeborg-Bachmann-Preis.Schriftsteller aus der DDR haben immer wieder daran teilgenommen, Jurek Becker zum Beispiel. Ulrich Plenzdorf gewann 1978 den Preis. Die Schriftstellerin Helga Schubert, Jahrgang 1940 und eine gestandene Autorin, ist in diesem Jahr Teilnehmerin am Wettbewerb.
Nicht ihre erste Klagenfurt-Erfahrung, sagt die Schriftstellerin. Bereits 1980 habe sie die sie "sehr erfreuende" Einladung bekommen, dort als Autorin zu lesen. Doch mit der Einladung kamen die Probleme: "Man musste ja einen Ausreiseantrag dafür einreichen", erzählt sie.
Da sie nicht Mitglied der SED gewesen sei, sei die Auslandsabteilung des Schriftstellerverbandes der DDR zuständig gewesen: "Die haben sofort gesagt: 'Schriftsteller aus der DDR nehmen daran nicht teil'. Ich habe gesagt, ich habe aber schon einen Brief geschrieben, dass ich mich über die Einladung freue, dass es jetzt nur noch an der Ausreisegenehmigung liegt. Daraufhin wurden die sehr irritiert und haben sich untereinander abgesprochen."

Eigentlich war Österreich ein neutraler Staat

Was daraufhin hinter den Kulissen los war, hab sie in der Akte des Staatssicherheitsdienstes gelesen: "Denn 1980 war ich schon seit vier Jahren unter Beobachtung unter dem Verdacht der staatsgefährdenden Hetze und der Diversion."
Der Schriftstellerverband untersagte ihr die Teilnahme. Dabei sei Österreich eigentlich ein neutraler Staat gewesen und die DDR hätte an einem guten Verhältnis zu Österreich Interesse gehabt. Sie habe sich gefragt, warum die DDR eine Autorin nicht nach Österreich lassen sollte.
Die Erklärung sei entsprechend herbeigebogen gewesen: Die Preisverleihung sei ein Fake, habe man behauptet, das sei keine österreichische Veranstaltung, sondern eine westdeutsche, weil ja der berüchtigte Anti-Kommunist Reich-Ranicki Sprecher der Jury sei. Und weil man an der Einladungspolitik gesehen habe, dass immer Schriftsteller, die in Opposition zur DDR stehen, dort eingeladen werden.

"Eine Beschwerung der Leichtigkeit"

Als Marcel Reich-Ranicki aufgehört habe, habe man sie 1988 in die Jury des Bachmannpreises geladen. Die Ausreise sei aber nur unter der Bedingung genehmigt worden, dass der Schriftsteller und Publizist Werner Liersch sie begleite.
Sie habe aber dort völlig frei sprechen können: "Ich habe mich sehr frei gefühlt in meiner Arbeit dort. Ich habe mich aber immer auf der Seite der Autoren gefühlt, muss ich sagen."
Dabei sei die Bedeutung der Literatur in der DDR "ein völlig unnormaler Zustand" gewesen. Es sei in allen Diktaturen so, "dass alles, was irgendwie ironisch ist oder was Wörter benutzt, die man eigentlich nicht benutzt oder Themen bearbeitet, die man eigentlich nicht bearbeiten sollte, dass das alles unter einer Zensur steht."
Das sei natürlich eine Beschwerung der ganzen Leichtigkeit, die man in der Literatur haben müsse. Man müsse doch humorvoll und ambivalent sein können: "Und diese ganze Schwere, die ist furchtbar, die durch eine Diktatur kommt auf die Kunst."

Eine späte Genugtuung?

Nun ist sie mit 80 Jahren die älteste Autorin, die je zum Ingeborg-Bachmann-Preis eingeladen worden ist. Dabei sei Alter ein Thema, das in ihrem persönlichen Leben "gar nicht so eine Rolle" spiele. Sie habe auf die Einladung hin in der ersten Sekunde schon Ja gesagt.
"Aber dann habe ich noch mal überlegt", erzählt sie. "Hast du jetzt richtig gehandelt?" Aber dann habe sie sich daran aufgerichtet, dass es nicht aufs Alter ankomme: "Ich glaube, in der Literatur ist die Gefahr der Altersdiskriminierung nicht so groß wie sonst."
Sie habe auch keine Angst, dort als Älteste aufzutreten. Es sei ein "unheimlicher Reichtum", wenn man älter sei. Ein Reichtum an Relativierungsmöglichkeit. Sie wisse eigentlich schon ziemlich viel von Menschen.
"Dass ich jetzt dort mitmache, ist für mich eine logische Folge davon, dass die DDR mit all ihrer lächerlichen Repression – die hat ja zu nichts geführt – einen nicht kaputtgemacht hat", sagt Helga Schubert. "Ganz wichtig. Das möchte ich vor mir selber auch beweisen."
(ros)
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