David Permantier (Hrsg.): „Wie ich wurde, wer ich bin“, erhältlich beim Elternverein Zukunftssicherung Berlin e.V.
Wie ich wurde, wer ich bin

Benjamin Titze ist beliebt und kommt mit allen klar. Geht ihm mal was gegen den Strich, dann hat er seine drei Stofftiere Glubschi, Schnuffi und Charly. Die können alles: streiten, schimpfen und schmusen.
„Du musst mir sagen, wann ich mich umdrehen darf – soll ich mich umdrehen? Oh, wer ist denn das?“
„Das ist Glubschi und Schnuffi. Glubschi ist halt einer mit Glubschaugen. Ein Affe mit Glubschaugen. Und Schnuffi ist halt ein Hund.“
Benjamin Titze, 36 Jahre alt, sitzt auf dem Sofa, in der Hand zwei Kuscheltiere: ein kleiner Affe und ein Hund. Er lacht breit über das ganze Gesicht. Die beiden, Glubschi und Schnuffi, gehören zu ihm. Sie sind ein Teil von ihm. Gar nicht wegzudenken. Aber einer fehlt.
„Charly wollte dieses Mal nicht. Keine Lust, der hatte heute keine Lust. Der wollte eigentlich gestern. Aber heute hat er gesagt, er hat keine Lust.“
„Ich bin nicht anders als die anderen“
Gut für mich, denn Charly, ein großer Affe, sagt ganz direkt, wenn ihm was nicht passt. Charly schickt auch schon mal den Betreuer vor die Tür, wenn er ihn nicht mag. Womöglich auch Reporter, wenn sie blöde Fragen stellen. Gut dass Schnuffi da ist, der Hund. Er greift ein, wenn es zum Streit kommt. Schnuffi kann gut schlichten. Und Glubschi, der kleine Affe, macht gerne Quatsch.
„Der ist ja auch noch ein Kleiner, ein ganz Junger.“
Benni hat das Down Syndrom, ein genetischer Defekt, der zu geistigen und körperlichen Beeinträchtigungen führt. Er ist in Berlin aufgewachsen und war die ersten vier Jahre auf einer Regelschule.
„Da konnte ich nicht bleiben, weil ich halt zu schlecht war in der Schule. Weil ich halt ein bisschen langsamer war als die anderen.“
Wenn Benni zurückdenkt an seine Kindheit und Jugend, dann erinnert er sich nicht an viel. Aber dieser Moment schmerzt noch immer. Der Moment, als er in eine Behindertenschule gehen musste und damit klar war, dass er für andere offenbar nicht in die Kategorie „normal“ fällt.
„Hast du denn das Gefühl du bist anders als die anderen?“
„Nein, ich finde nicht. Ich kann halt nur nicht so gut hören wie die anderen, deshalb habe ich auch Hörgeräte.“
„Nein, ich finde nicht. Ich kann halt nur nicht so gut hören wie die anderen, deshalb habe ich auch Hörgeräte.“

Benni macht bei allem mit, auch beim Kickern © Ellen Häring
Benni hat zu seiner Familie losen Kontakt, wichtiger ist seine Ersatzfamilie: die Gruppe bei der Lebenshilfe, einem Verein, der Menschen mit Beeinträchtigungen unterstützt. Egal ob Wandern, Malen, Kickern oder Schwimmen – Benni ist dabei. Er war sogar schon einmal im Iran mit der Lebenshilfe, es war ein Austauschprogramm.
Rebellische Affen sind Bennis ständige Begleiter
Tagsüber arbeitet Benni in der Industriemontage, zurzeit verpackt er Popcorn. Seine drei Kumpel will er eigentlich immer dabei haben, aber bei der Arbeit gab es Ärger. Sein Gruppenleiter will die beiden Affen und den Hund nicht in der Werkstatt, sondern im Spind sehen. Aber das will Benni nicht.
„Charly ist zu groß für die Arbeit. Der darf gar nicht, rein gar nicht. Aber Glubschi ist halt so klein, dass er in die Hosentasche oder in den Pulli kann.“
Bemerkt das sein Chef, dann muss der kleine Affe in den Spind oder gleich ganz zu Hause bleiben.
Richtig, findet Schnuffi, der Hund.
„Jajaja, findet er super! Spitze! Spitzenmäßig!“
Sieht man von rebellischen Affen ab, macht Benni nie Probleme. Er ist zu allen nett. Er hat Freunde, aber keine Freundin.
„Ich will auch keine. Manchmal ist das zu anstrengend.“
„Woher weißt du das? Hast du schon einmal eine gehabt?“
„Ja, aber jetzt will ich momentan keine.“
Alles ist gut. Benni ist glücklich.
Er lebt alleine und wird von einer Betreuerin im Alltag unterstützt. Die Kuscheltiere und besonders Affe Glubschi sind seine ständigen Begleiter.
„Im Bett und vor der Glotze. Das ist so ein Kleiner, der setzt sich vor die Glotze und guckt da mit. Und in der Nacht kommt er dann immer zu mir.“
Schlechte Erfahrungen mit seinen Mitmenschen macht Benni nicht. Unerfüllte Wünsche hat er auch nicht – sieht man mal von der Sache mit dem Spind bei der Arbeit ab. An seinem Leben möchte Benni nichts ändern.
„Soll alles so bleiben wie es ist. Ich finde schon. Vielleicht ein bisschen mehr Frieden auf der Welt. Aber sonst fühl ich mich hier wohl und glücklich.“
Seine Kumpel aus Stoff stimmen zu.
„Darf ich von euch zusammen mit Benni noch ein Foto machen?“ „Jaaaaa!“
Übersicht:
Die Serie „Wie ich wurde, wer ich bin“