"Teheran Sammlung" in Berlin

Verschwundene Kunstwerke und ein merkwürdiger Direktor

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) besucht am 17.10.2015 das Tehran Museum of Contemporary Art (TMOCA) in Teheran und schaut sich ein Gemälde von John Hoyland an.
Vor gut einem Jahr besuchte Außenminister Steinmeier das Museum of Contemporary Art (TMOCA) in Teheran. Hier betrachtet er ein Bild von John Hoyland © picture alliance / dpa / Bernd von Jutrczenka
Von Werner Bloch · 24.11.2016
In Berlin steht eine spektakuläre Ausstellung an: "Die Teheran Sammlung". Doch ob die Meisterwerke von Pollock, Bacon und Rothko die deutsche Hauptstadt erreichen, ist noch nicht ausgemacht.
So werden Kunstausstellungen in Teheran eröffnet – mit viel Pomp, Fahnen und mit der Nationalhymne. Für den Iran gilt: Staat, Kunst und Religion sind eins. Eine Vernissage ist hier ein Staatsakt, vor allem im Teheraner Museum für Gegenwartskunst, dem wichtigsten modernen Museum des Iran.
Ganz staatstragend gibt sich hier der Direktor des Museums, Majid Mollanoroozi. Ein etwas melancholischer, freundlicher Mann, der in seinem Büro im ersten Stock empfängt.
"Ich weiß, dass Deutschland reich ist an bildender Kunst. Aber der Punkt ist: Die Werke in unserer Sammlung sind einzigartig. Wir wollen der ganzen Welt vor Augen führen, dass vor 40, 50 Jahren kein einziges Land im Nahen Osten an moderner Kunst interessiert war. Keines. Wir Iraner sind stolz drauf, das wir vor 50, 60 Jahren diese Sammlung für heute zusammengekauft haben, so dass wir sie jetzt zeigen können."

Holocaust-Opfer werden mit Karikaturen verhöhnt

Manches ist merkwürdig an Museumsdirekttor Mollanoroozi. Er ist als oberster Kunstspezialist auch Mitglied der Regierung. Und er ist eine umstrittene Figur. Zu seinen Spezialitäten zählt der so genannte "Holocaust-Karikaturen-Wettbewerb", bei der die Opfer des Holocaust als Witznummer verhöhnt werden.
Wer aber hinunter steigt ins Depot des Tehran Museum of Conemporary Art, kurz TMOCA, für den ergibt sich allerdings ein erschreckendes Bild. Hier liegen Millardenwerte größter Kunst. Doch es gibt keine Klimaanlage, keinen Schutz vor Feuchtigkeit und Ungeziefer.
Bilder hätten auch schon Wasserschäden erlitten, berichten ehemalige Mitarbeiter. Die Bacons, Picaossos und Rothlos gammeln vor sich hin, setzen in einer Ecke Staub an. Millionenschwere Kunstwerke dümpeln vor sich hin.
Doch es kommt noch schlimmer. Niemand weiß, was eigentlich da ist und was nicht. Es gibt nicht einmal eine Bestandsliste der Kunstwerke. Während im Innern des TMOCA eine andere Vernissage läuft, treffen wir einen bekannten Kunstkritiker aus Teheran, der seinen Namen nicht nennen möchte. Er berichtet von mafiösen Zuständen:

Die Bilder verschwanden aus einem Lagerraum

"Es sind in der Vergangenheit rund 40 Werke aus dem Museum abtransportiert worden. Man brachte sie ins Kulturministerium - angeblich, weil diese Werke 'unmoralisch' waren und deshalb dem Volk ohnehin nicht gezeigt werden konnten. Vom Kulturministerium kamen sie in einen privaten Lagerraum, aus dem sie auf rätselhafte Weise verschwanden. Sechs oder sieben Jahre später tauchten dieselben Werke bei Sotheby’s auf. Jetzt sind die Werke wieder da – aber hoffentlich sind es auch die Originale. Es gibt hier in Teheran exzellente Fälscher. Wir wissen nicht, was von unserer Kunst noch vorhanden ist und was nicht. Die Leute sind ärgerlich und empört."
Die Teheraner Kunstszene ist empört über die geplante Berliner Schau. Wie kann es sein, fragen sich dort Künstler und Intellektuelle, dass in Berlin Bilder zu sehen sein sollen, die man in Teheran dem Publikum vorenthält – so wie Francis Bacons homoerotisches Gemälde im Iran im Giftschrank bleibt?
Die renommierte Künstlerin Parastou Forouhar, deren Eltern von Schergen des Regimes ermordet wurden, erhebt schwere Vorwürfe auch gegen die Bundesrepublik. Sie befindet sich zurzeit im Iran in einer schwierigen Mission, sie ist wegen ihrer kritischen Kunst von den Behörden vorgeladen worden und muss ihre Verhaftung fürchten. Die international renommierte Künstlerin Forouhar schreibt über das Projekt, die Teheran-Sammlung nach Deutschland zu holen:
"Die deutsche Seite will eine andere politische Beziehung mit Iran. Da werden Kunst und Kultur missbraucht. Ohne zu gucken, dass diese ganze Sache über den Kopf derjenigen Kräfte im Iran gemacht wird, die tatschlich für einem Wandel stehen. Diese Kunst und Kulturszene muss man einbeziehen (...). Man fühlt sich außen vorgelassen von der Politik. So bedeutet die geplante Ausstellung nichts."

Die Kunstszene in Teheran wächst

Teheran blüht. Seine Kunstszene wächst, überall eröffnen Galerien. Teheran braucht dringend Kulturaustausch. Vor allem die junge, frisch durchpulste Szene in Teheran sehnt sich nach Austausch mit dem Westen. Doch warum sollen dazu Rothkos und Picassos nach Berlin geschickt werden? Als Begleitobjekte für die Wirtschaftsbeziehungen, die derzeit boomen?
Es erscheint jeden Tag fraglicher, ob die Ausstellung überhaupt stattfindet. Konservativ-reaktionäre Kreise wollen sie in jedem Fall verhindern. Es fehlt von iranischer Seite die Ausfuhrgenehmigung. Und die Deutschen wissen nicht einmal, wo sie die entscheidende Unterschrift bekommen können – kafkaeske Zustände in Teheran.
Hermann Parzinger, Chef der Stiftung Preußischer Kulturbesitz:
"Die Unterschriften sind immer noch nicht da, so dass man auch den Gedanken an sich ranlässt, dass es vielleicht auch scheitert, denn wir werden nicht 4, 5 mal das verschieben. Irgendwo gibt es da eine Grenze."
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