"Tausendkünstler" Koloman Moser

Der erste Grafik-Designer der Moderne

Koloman Moser (1868-1918). Private Collection. | Verwendung weltweit, Keine Weitergabe an Wiederverkäufer. | picture alliance / Fine Art Images
Gründungsvater der Wiener Moderne: Koloman Moser (1868-1918) © picture alliance / Fine Art Images
Von Berit Hempel · 18.10.2018
Koloman Moser war Mitbegründer der Wiener Werkstätten und prägte den Boom der Wiener Secession um 1900. Er malte nicht nur, sondern entwarf auch Möbel, Gläser, Keramik, Stoffmuster und Illustrationen.
"Anfangs hatten wir freilich mit dem starken Konservatismus der großen Wiener Firmen zu kämpfen gehabt, wir mussten ihnen unsere Entwürfe geradezu aufdrängen, verlangten kein Honorar, sondern bloß Tantiemen. Aber plötzlich begann das Publikum an den neuartigen Möbeln und Stoffen und Bucheinbänden Gefallen zu finden, und nun konnten die Geschäfte nicht genug ‚Sezessionistisches‘ haben."
So beschreibt Koloman Moser rückblickend den Boom der Wiener Secessionskunst um 1900. Moser prägt maßgeblich diese Zeit der Wiener Moderne, die den verklärenden Historismus sowie den Graben zwischen bildender und angewandter Kunst überwinden will. Der "Tausendkünstler", wie er genannt wird, gestaltet Plakate, entwirft Möbel, Gabeln, Gläser, Keramik und Tapeten.
"Es gab für ihn keine Grenzen, was die klassischen Metiers betrifft, sondern er war interessiert - und das hebt ihn hervor - an der Verschwisterung der unterschiedlichen Kunstgattungen."
Erklärt Hans-Peter Wilpinger vom Leopold Museum in Wien.
Ab 1892, Moser ist Mitte zwanzig, tauscht er sich bereits im "Siebener-Club" regelmäßig mit anderen Künstlern aus. Fünf Jahre später gründet er unter anderem mit Gustav Klimt die "Wiener Secession". Moser wendet sich damit gegen die konservative Haltung im Land, organisiert Ausstellungen in ungewohnten, reduzierten Formaten und mit internationalen Künstlern. Die Kunstzeitschrift "Ver Sacrum" illustriert er in neuer kreativer Freiheit und gilt deshalb als erster Grafikdesigner:
Moser und Klimt leiten Paradigmenwechsel ein
"Das Besondere an seiner grafischen Gestaltung war eine ganz neue, nach Linien orientierte ausgeprägte Gestaltung und gleichzeitig auch eine Betonung der Flächenhaftigkeit, und da hat er wunderbare Kontraste geschaffen. Und das alles zu einer Zeit, wo hier in Wien noch die Üppigkeit herrscht und der Pathos, hat es da von Koloman Moser einen Paradigmenwechsel gegeben, den er eingeleitet hat."
Koloman Josef Moser ist die künstlerische Karriere nicht in die Wiege gelegt. 1868 als Sohn eines Schul-Verwalters geboren, soll er in einem Seifen- und Parfümeriegeschäft arbeiten. Doch "Kolo" Moser, wie er als Künstler genannt wird, nimmt heimlich Zeichenunterricht, wird schließlich an der Akademie der bildenden Künste in Wien angenommen und lehrt später an der Kunstgewerbeschule. Gleichzeitig entwirft er außergewöhnliche Möbel wie den Eckschrank "Die verwunschenen Prinzessinnen". Bei der Umsetzung seiner Entwürfe arbeitet Moser oft mit anderen Künstlern zusammen.
"Das heißt, er war dann so uneitel, hat dann einzelnen Künstlern die Gestaltung überlassen. Das heißt, er war interessiert an diesen synergetischen Aspekten, was macht ein anderer Künstler aus seinem Schrank."
Bestes Handwerk, bestes Material
Die Gründung der "Wiener Werkstätten" 1903 als eine Produktionsgemeinschaft unterschiedlicher Künstler ist einer der Höhepunkte in Mosers kreativem Schaffen.
Als herausragendes Werk gilt sein kubischer Armlehnstuhl mit schwarz-weiß lackiertem Rohrgeflecht, sachlich und nüchtern. Inspiriert von internationalen Strömungen wie der britischen Arts-and-Craft-Bewegung will der "Tausendkünstler" mit qualitätsvollem Design die Kunst und das Alltagsleben miteinander verschränken.
"Das war ein Versuch, der allerdings nicht lange gut gegangen ist, weil eine der Prämissen war, dass man mit den besten Handwerkern der Stadt oder der Monarchie zusammenarbeitete und dass man das beste Material überhaupt verwendet. Das heißt, es konnte sich nur eine kleine, elitäre Gruppierung diese kostenintensiven Objekte auch leisten. Das heißt, dieses Streuen hinein in einen breiten Alltag, die Beglückung der Menschen, das war natürlich ein Idealismus, ein hehres Ziel, das nicht wirklich eine Umsetzung erfahren konnte."
Aus der Künstlervereinigung "Wiener Secession" tritt Koloman Moser 1905 zusammen mit Gustav Klimt aus. Die "Naturalisten" hatten sich gegen die "Stilkünstler" durchgesetzt.
Zwei Jahre später kehrt er auch den Wiener Werkstätten den Rücken und widmet sich fortan vermehrt der Malerei. Dem Design bleibt er bis zu seinem Tod am 18. Oktober 1918 im Alter von 50 Jahren treu. Mit einer 100-Kronen-Banknote, einer Briefmarkenserie für Kaiser Franz Joseph und Kriegswohltätigkeitsmarken verankert er bis zuletzt die Kunst im Alltag der Österreicher.
Mehr zum Thema