Movimentos - Festwochen der Autostadt
19. Juli bis 25. August 2019
Wolfsburg
Verkrusteter Schlamm und angespannte Körper
06:35 Minuten

Bei jeder Bewegung wirbelt getrockneter Schlamm durch die Luft: Für "Dog Without Feathers" ließ sich die brasilianische Choreografin Deborah Colker von einem Gedicht inspirieren. Deutschlandpremiere war bei den Movimentos Festwochen in Wolfsburg.
Für ihre Tanzproduktion "Dog Without Feathers" - im Originaltitel "Cao sem plumas" - hat sich die brasilianische Choreografin Deborah Colker von dem gleichnamigen Gedicht des Lyrikers und Diplomaten Joao Cabral inspirieren lassen. Die Natur und Landschaft des Flusses Capibaride werden darin beschrieben – die dürren genauso wie die verschlammten oder wassereichen Gebiete.
"Die Stadt wird
vom Fluss durchzogen
wie eine Straße
von einem Hund
wie eine Frucht
von einem Schwert", heißt es darin – und auch:
vom Fluss durchzogen
wie eine Straße
von einem Hund
wie eine Frucht
von einem Schwert", heißt es darin – und auch:
"Ein Hund ohne Federn
ist wie wenn
ein Baum ohne Stimme
wie wenn die Wurzeln
eines Vogels in der Luft,
so tief an etwas
nagen,
was sie nicht haben"
ist wie wenn
ein Baum ohne Stimme
wie wenn die Wurzeln
eines Vogels in der Luft,
so tief an etwas
nagen,
was sie nicht haben"
Getrockneter Schlamm als Leitmotiv
Motive aus Joao Cabrals Gedicht, in dem sich Wiederholungen und Widersprüchliches aneinanderreihen, finden sich in der choreografischen und vor allem visuellen Gestaltung des Stückes. Vor allem der Schlamm, der – getrocknet und als Verkrustung – auf den hautengen Anzügen der 14 Tänzerinnen und Tänzern klebt und bei jeder Bewegung als Staub in die Luft wirbelt.

Erdige, starke Bewegungen machten den Tanz in „Dog Without Feathers" aus, so Nehring.© Cafi
Auch ihre Bewegungsqualitäten haben über weite Strecken etwas Erdiges, tief Abgesenktes. Wir sehen Kontraktionen, Körper unter Hochspannung, angespannte Muskeln. Die Tänzerinnen und Tänzer stampfen, schlagen, kriechen und greifen auf dem Boden aus.
Noch intensiver als die Bewegung auf der Bühne zieht ein Film im Hintergrund alle Aufmerksamkeit auf sich. In langsamen, riesigen, auf jeden Fall überlebensgroßen, betörenden Schwarz-Weiß-Bildern wird die im Gedicht beschriebene Natur gezeigt: ein ausgetrocknetes, lebensfeindliches, schon fast postapokalyptisch wirkendes Flussbett, eine Schlammlandschaft, in der Menschen versinken, Mangrovenwälder, in der riesige Wurzeln aus dem Wasser ragen.
Unbedingter Hang zur Schönheit
Menschen verschwinden in dieser Natur, werden von ihr verschluckt, gehen in ihren Strukturen, Rissen, Mustern auf, werden von den Formen aufgesaugt. Beeindruckende Szenen sind das. Bei aller Bildherrlichkeit ist der künstlerische Zugriff auf das Thema aber auch stark ästhetisiert und wirkungsverliebt. Den unbedingten Hang zur Schönheit und der Kult um den Körper – beides findet sich auch in Deborah Colkers "Dog without Feathers".