Verhaltensforschung

Tanzende Ratten

06:52 Minuten
Eine Ratte inmitten bunter Lichter
Rhythmisches Kopfwacheln zu Beats, das machen auch Ratten. Ob Musik bei ihnen Emotionen auslöst, ist allerdings noch unklar. © picture alliance / Zoonar / Lubov Klepikovskaya
Von Marko Pauli · 01.12.2022
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Ratten bewegen ihren Kopf rhythmisch zu Musik. Das haben Forscher der Uni Tokio herausgefunden. Dabei bevorzugen sie ähnliche Tempi wie Menschen. Aber auch unter Ratten gibt es Tanzmuffel.
Bewegen Ratten den Kopf im Takt zur Musik? Das wurde an der Uni Tokio untersucht. Den Nagern wurde dafür ein Helm aufgesetzt, in dem ein Beschleunigungssensor integriert ist, der auch feinste Kopfbewegungen misst. Während Ausschnitte einer Mozart-Sonate liefen, wurden diese Bewegungen aufgezeichnet, zudem maßen die Forscher die Hirnströme im auditorischen Kortex.
Die Ratten zeigten eine Takt-Synchronisation, das heiße, sie nicken mit dem Kopf zum Rhythmus, sagt Hirokazu Takahashi, der den Versuch mit veranstaltet hat. Am deutlichsten geschehe das bei 120 bis 140 Schlägen pro Minute. „Das ist auch die Frequenz, bei der Menschen die größte Synchronisation zeigen.“ Menschen und Ratten bevorzugen also dasselbe Takttempo.

Hälfte der Ratten nickt zu Musik

Zehn von 20 Ratten reagierten mit rhythmischem Kopfnicken zur Mozartsonate im Originaltempo. Bei schnellerem Tempo ließ das Mitnicken nach. Zu sehen ist die Bewegung allerdings kaum. Das sei vermutlich auch der Grund, warum frühere Studien die Takt-Synchronisation bei Ratten übersehen haben, so Hirokazu Takahashi.
Warum nur die Hälfte der Ratten mitnickt, ist nicht ganz klar, könnte aber laut Hirokazu Takahashi individuell begründet sein. Schließlich sei das bei Menschen genauso. „Manche mögen tanzen, andere sind eher schüchtern und bewegen sich dann nicht zur Musik.“
Das von Ratten und Menschen gleichermaßen bevorzugte Tempo zwischen 120 und 140 Schlägen pro Minute entspricht beim Menschen in etwa der Schrittgeschwindigkeit.Deshalb fangen wir bei diesem Tempo sehr leicht an zu tanzen.

Schimpansen, Seelöwen, Papageien

Doch auch die Ratten nickten zu diesem Tempo – und nicht zum schnelleren, obwohl ihre viel schnellere Schrittfrequenz besser dazu gepasst hätte. Das optimale Tempo wird also nicht vom Körper und dessen Bewegungsgeschwindigkeit bestimmt. Die bevorzugte Geschwindigkeit hängt, den Auswertungen dieses Versuchs nach, viel mehr von der Konstante des Gehirns ab, also der Geschwindigkeit, mit der es auf etwas reagieren kann – und diese ist bei allen Arten ähnlich.
Das, so die Forscher aus Tokio, bedeutet, dass die Fähigkeit des Gehörs und der Motorik, mit Musik zu interagieren und sich dazu zu bewegen, unter den Arten viel weiterverbreitet sein könnte als bisher angenommen. Hirokazu Takahashi und seinem Team ist schon mal der Beweis gelungen, dass Ratten sich im Takt zur Musik bewegen, bei wenigen anderen Tierarten war diese Fähigkeit vorher schon bekannt, bei Schimpansen etwa und bei Seelöwen. Durch Youtube-Videos ist auch beispielsweise der tanzende Papagei „Snowball“ bekannt geworden.

Löst Musik bei Tieren Emotionen aus?

Aber warum gehen Papageien oder Ratten überhaupt dazu über, den Körper zum Rhythmus zu bewegen. Eine Entsprechung in der Natur gibt es ja eher nicht. „Das Gehirn war zuerst da, nicht die Musik“, sagt dazu Hirokazu Takahashi. „Wir haben ein Gehirn, das dem von Nagetieren sehr ähnlich ist. Weil wir diese Art von Hirnstruktur haben, haben wir also diese Art von Musik erfunden.“ 
Aber hat unser Gehirn die Musik nicht erfunden, um Emotionen auszulösen oder zu kanalisieren, empfinden die Ratten nicht vielleicht auch Freude, wenn sie Mozart hören?
Um darüber mehr zu erfahren, wollen die Forscher als nächstes den Einfluss von Melodie und Harmonie auf die Dynamik des Gehirns bei Mensch und Tier untersuchen und vergleichen. Sie erhoffen sich dadurch neue Aufschlüsse über die Ursprünge von Musik und Tanz. Schüchterne Ratten sind dabei wohl eher unerwünscht.
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