Tanz auf dem Vesuv

Eine Sendung von Maike Albath · 18.02.2007
Wenn die Sonne über dem Golf untergeht und sich ein blaues Licht in den Gassen des Spanischen Viertels ausbreitet, wirkt Neapel wie ein Gemälde. Aber die seit Jahrhunderten besungene Schönheit der mediterranen Metropole ist nur die eine Seite. Neapel ist gefährlich in diesen Tagen, und der von Goethe notierte volkstümliche Spruch "Vedi Napoli e muori - Sieh' Neapel und stirb'" hat heute eine unfreiwillige Pointe.
Seit Jahrhunderten unterläuft die Camorra, die örtliche Ausprägung der Mafia, die staatlichen Strukturen. Mittlerweile zählt sie zu den einflussreichsten Arbeitgebern und prägt vor allem unter Jugendlichen die sozialen Codes. Wer die Missstände offen benennt, riskiert sein Leben. Der Journalist Roberto Saviano prangert in seinem Buch Gomorra, das innerhalb weniger Wochen zum Bestseller wurde, die Praktiken der Camorra offen an - jetzt musste er untertauchen und ist nicht einmal für seine Freunde erreichbar.

So etwas passiert mitten in Europa? Dabei wirkt alles so pittoresk. In den Straßen der Altstadt tummeln sich wie eh und je hupende Vespabesitzer, schimpfende Autofahrer, auftrumpfende Fischhändler, zeternde Hausfrauen. Vor den Cafés sitzen Sportzeitungsleser und palavern über die Lage des Fußballclubs, Geschäfte bieten elegante Auslagen feil, und gleich um die Ecke schleudert ein Pizzabäcker seinen Teig in die Luft.

Was macht Neapel aus jenseits von Pulcinella, O Sole mio, Pizza Napoli, Erdbeben und Verbrechen? Vor allem die Schriftsteller setzen sich unermüdlich mit ihrer Heimat auseinander und pflegen ein spannungsreiches Verhältnis zu ihrer Stadt. Von den Klassikerin Edoardo De Felippo, Domenico Rea und Anna Maria Ortese bis zum großen alten Mann der neapolitanischen Literatur Raffaele La Capria. Von der italienischen Variante des Fräuleinwunders Valeria Parella bis zu der Autorin Antonella Cilento, Begründerin einer Literaturschule, und dem Verfasser eines grotesken Camorra-Freskos Giuseppe Montesano. Sie lassen sich durch das theatralische Gebaren ihrer Landsleute nicht beirren, setzten der Gewalt im Alltag die Welt der Literatur entgegen und gehen ihrer Arbeit nach. Und sie sind vor allem eins: Neapolitaner.
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